Schlechte Erinnerungen

Im Leben macht man Fehler. Viele davon sind ärger­lich, aber man kann sie unter “Erfah­run­gen” abbu­chen. Andere sind schlimm, für einen selber oder für andere. Von beiden habe auch ich reich­lich gemacht und es gibt sehr vieles, was ich heute gerne rück­gän­gig machen würde. Trotz­dem sind sie Teil meiner Geschichte und es ist nicht mehr zu ändern.

Dazu gehö­ren zehn Jahre aktive Arbeit in der Antifa, beglei­tet von zahl­rei­chen Gewalt­tä­tig­kei­ten. Gewalt nicht nur als Gegen­wehr, was ich auch heute noch nötig finde, sondern auch aktiv gegen Anders­den­kende. Natür­lich muss man keine Tole­ranz gegen faschis­ti­sches Gedan­ken­gut aufbrin­gen, trotz­dem hätte es nicht die offen­si­ven und oft sehr bruta­len Angriffe gegen Rechts­extre­mis­ten geben dürfen. An eini­gen war ich selber betei­ligt, vor allem aber habe ich sie poli­tisch mitge­tra­gen, propa­giert und gedeckt. Erst nach dem Mord am Kassen­wart der rechts­ra­di­ka­len Partei Repu­bli­ka­ner begann bei mir ein Umden­ken, das schließ­lich zur Distan­zie­rung mit der eige­nen Szene geführt hat. Bei mir, aber auch bei zahl­rei­chen ande­ren Berli­ner Anti­fa­schis­ten.

Zu dem, auf das ich eben­falls nicht stolz bin, gehö­ren meine frühe­ren Bezie­hun­gen zu Jugend­li­chen. Ab Mitte der 1980er und einige Jahre danach war ich einige Jahre als Mitglied von mehre­ren Anti­fa­grup­pen sehr eng mit Jugend­li­chen orga­ni­siert. Damals hatte ich auch viele Freund­schaf­ten zu Mitglie­dern dieser Grup­pen. Mit eini­gen Jungs, die teil­weise noch längst nicht voll­jäh­rig waren, gingen die Freund­schaf­ten aber zu weit, was mir heute auch bewusst ist, da ich damals bereits erwach­sen war – jeden­falls nach dem Gesetz. Tatsäch­lich sah ich mich auf einer Ebene mit ihnen, was natür­lich falsch war. Da sie alle selbst­be­wusst waren, habe ich mir da keine Gedan­ken gemacht habe, dass es hätte falsch sein können. Wenn jemand einen ande­ren Freund oder eine Freun­din gefun­den hatte, war es vorbei, unsere Freund­schaf­ten aber bestan­den meis­tens weiter.

1996 kam es zum Bruch. Nach­dem ich aus den oben genann­ten poli­ti­schen Grün­den aus der dama­li­gen Anti­fa­gruppe austrat, gleich­zei­tig mit mehre­ren ande­ren, begann das, was man heute Shit­s­torm nennt: Mir wurden zahl­rei­che Dinge vorge­wor­fen, die einfach nur Hetze waren. Ich wäre ein Spit­zel gewe­sen, wech­sel­weise von Poli­zei, Verfas­sungs­schutz oder sogar den Nazis. Ein Verrä­ter. Und eben ein Miss­brau­cher, der einzige Vorwurf, der auch zutraf. Es wurde als Waffe gegen mich einge­setzt, größ­ten­teils von Leuten, mit denen ich niemals etwas hatte. Ich wurde verfolgt und mehr­mals verletzt, die meis­ten der Angrei­fer hatte ich vorher nie gese­hen. Die poli­ti­sche Ausein­an­der­set­zung wurde auf eine andere Ebene gezo­gen, und das machte es unmög­lich, darauf inhalt­lich zu reagie­ren. Natür­lich war das Berech­nung, wer wollte sich schon mit einem Miss­brau­cher und Täter ausein­an­der­set­zen, genauso wenig wie mit einem “Verrä­ter”.

Das alles ist mitt­ler­weile viele Jahre her. Ich habe mein Leben geän­dert, keine Kontakte mehr zu solchen Leuten, keine Bezie­hun­gen mehr zu Jugend­li­chen.
Mehrere meiner heuti­gen Freunde sind noch die glei­chen wie damals, von denen, die 1996 mit der Antifa gebro­chen haben. Was ich damals an Unrecht getan habe, tut mir heute sehr leid. Leider lässt sich die Vergan­gen­heit nicht mehr ändern, aber wenigs­tens Konse­quen­zen daraus ziehen und es anders machen. Das habe ich auch getan.

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