Wappen am Reichstag

Millio­nen von Besu­chern aus aller Welt besich­ti­gen jedes Jahr das Reichs­tags­ge­bäude. Sie warten meist in langen Schlan­gen vor dem West­por­tal auf Einlass. Einen ersten Eindruck vom histo­ri­schen Teil des Parla­ments­ge­bäu­des bieten da bereits die Wappen derje­ni­gen deut­schen Staa­ten, Länder und Städte, die sich 1871 zu Deut­schen Reich verei­nigt hatten. Insge­samt sind als “Stamm­baum” zwan­zig Wappen in zwei verschie­de­nen Größen abge­bil­det. Das neue Reich war ein Bundes­staat, dem 25 Einzel­staa­ten ange­hör­ten. Die genaue Zuord­nung der Wappen sorgt heute deshalb für Verwir­rung.

Zum Deut­schen Reich zähl­ten die vier König­rei­che Preu­ßen, Bayern, Sach­sen und Würt­tem­berg sowie Groß­her­zog­tü­mer, Herzog- und Fürs­ten­tü­mer mit Namen wie Sach­sen-Weimar-Eisen­ach, Sach­sen-Coburg-Gotha, Reuß ältere Linie oder Schaum­burg-Lippe und Waldeck. Außer­dem traten dem Bundes­staat die Freien und Hanse­städte Hamburg, Bremen und Lübeck bei. Hinzu­ge­zählt werden muss auch das 1871 in Folge des Deutsch-Fran­zö­si­schen Krie­ges annek­tierte Elsass-Loth­rin­gen.

Mit dem damals wohl bekann­tes­ten Bauplas­ti­ker Otto Lessing hatte der Reichs­tags­ar­chi­tekt Paul Wallot einen geeig­ne­ten Künst­ler für die Ausge­stal­tung des Parla­ments­ge­bäu­des gewin­nen können. Lessing, ein Urgroß­neffe des berühm­ten Dich­ters, war auf einer Viel­zahl von promi­nen­ten Baustel­len beschäf­tigt, so beim Neubau des Preu­ßi­schen Land­tags oder bei der Kaiser-Wilhelm-Gedächt­nis­kir­che.

Über den genauen Fort­gang bei der Gestal­tung der Arbei­ten am West­por­tal ist wenig bekannt. Der Nach­lass des renom­mier­ten Bild­hau­ers ging weit­ge­hend verlo­ren. Es ist über­lie­fert, dass es Paul Wallot selbst nicht auf die genauen heral­di­schen Bedeu­tun­gen ankam, für ihn stand das Schmü­ckende im Vorder­grund. Daher entzün­dete sich schon die zeit­ge­nös­si­sche Kritik an den falsch und fehler­haft darge­stell­ten Wappen.

Und doch liegt in der Unvoll­stän­dig­keit eine klar kalku­lierte Drama­tuir­gie. Die vier König­rei­che, die von ihrer Einwoh­ner­zahl ohne­hin neben dem Groß­her­zog­tum Baden zu den fünf größ­ten Staa­ten im Deut­schen Reich zähl­ten, sind ihrer poli­ti­schen Stel­lung folgend größer als die übri­gen Wappen darge­stellt. Auf der linken Portal­seite stehen Preu­ßen und Sach­sen, rechts hinge­gen Bayern und Würt­tem­berg. Die sechs Groß­her­zog­tü­mer sind im rech­ten Winkel jeweils zwischen den vier König­rei­chen in der Reli­ef­mitte auf beiden Portal­sei­ten ange­ord­net. Nicht voll­stän­dig und nicht immer heral­disch rich­tig sind die Fürs­ten­tü­mer und die Hanse­städte abge­bil­det. Unter­halb der gesam­ten Wappen­re­li­efs befin­den sich zwei Alle­go­rien, die die beiden preu­ßi­schen Ströme, den Rhein (an der linken Portal­seite) und die Weich­sel (an der rech­ten Portal­seite) zeigen.
Bereits am West­por­tal gibt es also reich­lich zu sehen. Ein Blick auf die Reli­efs lohnt sich.

Volker Wagner, Blick­punkt Bundes­tag

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