Gewaltmonopol

Treue Leser wissen, dass ich ein eher distan­zier­tes Verhält­nis zur Poli­zei habe. Das kommt nicht von unge­fähr, sondern hat sehr viel mit schlech­ten Erfah­run­gen zu tun. Natür­lich sehe ich die Notwen­dig­keit, dass es eine Poli­zei geben muss, doch klar ist, dass sie vor allem eine Seite vertritt: Die des Staa­tes. Ich schreibe extra nicht “des Geset­zes”, denn das glaube ich nicht. Recht­lich gese­hen ist es zwar so, tatsäch­lich aber vertritt sie oft eben nicht das Gesetz, sondern bricht es, wenn es ihr passt.

Klar bin ich vorbe­las­tet, sogar fami­liär. Dann folg­ten in den 1980er Jahren zahl­lose Ausein­an­der­set­zun­gen mit der Staats­macht, weil denen die Haus­be­set­zun­gen und unser Wille nach einem selbst­be­stimm­ten Leben nicht gefiel. Dabei ging es nicht nur um die Durch­set­zung der gesetz­li­chen Rechte von Haus­be­sit­zern, die ihre Buden leer stehen ließen, obwohl Zigtau­sende eine Wohnung such­ten. Unzäh­lige Male habe ich völlig über­zo­gene und unge­rech­tertigte Gewalt gese­hen und auch selber erfah­ren. Darun­ter Tritte ins Gesicht, wenn man auf dem Boden lag, exzes­sive Schläge mit Knüp­peln auf wehr­lose Menschen, Tränen­gas­würfe in die geschlos­sene Arrest­zelle. Ich war dabei, als die Poli­zei mit Baggern das Hütten­dorf der Freien Repu­blik Wend­land platt­ge­macht hat und dabei ein 15 Meter hoher Turm umge­wor­fen wurde, auf dem sich gut sicht­bar noch Leute aufhiel­ten. Als sie einen Mitbe­woh­ner mit dem Mann­schafts­wa­gen bewusst an die Wand fuhren und ihm damit beide Beine brachen. Und als sie bei der Räumung der Main­zer Straße einem Freund ins Bein schos­sen.

Seit­dem hat sich nicht viel verän­dert. Früh­jahr 2015: In Moabit sind die Stra­ßen gesperrt, Rechts­extre­mis­ten marschie­ren durch den Kiez. Ich stelle mein Taxi ab, renne nach vorn, wo eine Gruppe Menschen versucht, die Birken­straße mit einer Sitz­blo­ckade zu sper­ren. Kurz bevor ich ankomme, reißt mich ein Zivil­po­li­zist an der Jacke, ein Unifor­mier­ter schlägt mit dem Knüp­pel auf mich ein. Gehirn­er­schüt­te­rung.

Sommer 2015: Wieder eine Kund­ge­bung von Faschis­ten. Ich stehe dort hinter dem Haupt­bahn­hof. Außer­halb der Absper­rung schimpft ein älte­rer Mann: “Es ist eine Schande, dass die hier demons­trie­ren dürfen!” Drei Rechts­ra­di­kale pöbeln ihn an, drücken ihn an eine Säule. Mehrere Poli­zis­ten stehen wenige Meter dane­ben, lachen, aber helfen dem Mann nicht. Als ich ihm mit einem ande­ren Taxi­fah­rer zu Hilfe eile, werden sie plötz­lich aktiv, schie­ben die Gitter zur Seite und rennen auf uns zu. Sie packen das Opfer und werfen den Mann zu Boden, uns hindern sie daran, ihm zu helfen. Die Angrei­fer dürfen zur Kund­ge­bung gehen, ohne dass auch nur ihre Perso­na­lien aufge­nom­men werden.

Herbst 2015: Wegen einer rassis­ti­schen Kund­ge­bung vor dem Lageso ist die Turm­straße gesperrt. Ich stehe 100 Meter dane­ben an der Absper­rung, als eine Flücht­lings­fa­mi­lie zum Lageso durch will. Ein Poli­zist kontrol­liert die Papiere, “Du kannst da jetzt nicht durch, du musst warten!” Als ich ihn frage, wieso er den Mann duzt, schiebt mich eine Kolle­gin zur Seite: “Hören Sie auf hier herum­zu­pö­beln. Sonst nehmen wir sie gleich mal in Gewahr­sam!” Sie spielt die Macht aus, die ihr die Uniform gibt, es ist das glei­che Obrig­keits­geh­abe wie schon zu Kaisers Zeiten. Als ich sage “Erbärm­lich!”, tritt sie gegen mein Fahr­rad.

Wie gesagt, die Notwen­dig­keit einer Poli­zei sehe ich im Prin­zip ein. Aber solche Erfah­run­gen sind keine Einzel­fälle, das bedroh­li­che Auftre­ten der Beam­ten ist immer wieder zu beob­ach­ten. Man braucht sich deshalb auch nicht zu wundern, wenn es Leute gibt, die sich das nicht gefal­len lassen und mit Gewalt reagie­ren. Sei es bewusst oder aus der Hilf­lo­sig­keit heraus. Man hat auch den Eindruck, dass Poli­zis­ten genau eine solche Reak­tion provo­zie­ren wollen, um dann eine Recht­fer­ti­gung zum Zuschla­gen zu haben.

Wer behaup­tet wir hätten heut­zu­tage eine demo­kra­ti­sche Poli­zei, die nur Verbre­chen verfolgt und ansons­ten den einfa­chen Bürgern dient, ist entwe­der naiv oder verschließt mit Absicht die Augen vor der Reali­tät. Die Poli­zei ist heute wie schon vor Jahr­zehn­ten immer auch ein Mittel zur Diszi­pli­nie­rung von Bürgern, die ihre Rechte einfor­dern.
Es geht dabei nicht um Situa­tio­nen, die aufgrund von Stra­ßen­kämp­fen eska­lie­ren, sondern auch um den Alltag. In dem z.B. Bett­ler oder schla­fende Obdach­lose gewalt­sam von öffent­li­chen Plät­zen wegge­zerrt werden und man bedroht wird, wenn man dage­gen protes­tiert. Das hat System, es sind nicht nur einzelne Poli­zis­ten, die ihren Frust oder ihre sadis­ti­schen Neigun­gen ausle­ben. Dazu kommt so etwas zu oft vor. Und dafür wird viel zu wenig dage­gen getan.

Die Poli­zei ist kein Organ, um demo­kra­ti­sche Struk­tuen zu vertei­di­gen, sie dient bei Diffe­ren­zen mit dem Staat immer als Kriegs­par­tei, die sehr oft auch eska­lie­rend auftritt. Vertrauen in eine solche Insti­tu­tion aufzu­bauen, ist kaum möglich.
Dies ist kein Plädoyer zur Anwen­dung von Gewalt gegen Poli­zis­ten. Diese gibt es natür­lich auch und ich lehne eine grund­lose Anwen­dung genauso ab wie die Bruta­li­tät von Poli­zis­ten.

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