Hampton Court

950 km. Bild und Wirk­lich­keit

Wer im Inter­net einen Part­ner sucht, sollte sich nicht zu sehr von Bildern beein­dru­cken lassen – sonst kann die Enttäu­schung beim ersten Zusam­men­tref­fen groß sein.

Ohne solch eine Enttäu­schung wäre viel­leicht nie etwas aus Berlin gewor­den. Das kam so:

Als Hein­rich VIII. wieder einmal eine neue Frau brauchte, seine vierte, fand er in seinem inter­na­tio­na­len Netz­werk eine Anna von Kleve und bestellte bei niemand Gerin­ge­rem als dem Maler Hans Holbein ein Porträt. Das gefiel ihm so gut, dass er die Abge­bil­dete heira­tete; aber da sie ihm in echt weit weni­ger gefiel als in Öl, ließ er die Ehe umge­hend für ungül­tig erklä­ren.

Das war im Jahre 1540. Auch heute wieder bear­bei­ten Pass­bild­fo­to­gra­fen auf Wunsch die Bilder, bis sie gefäl­li­ger ausse­hen. Damit sollte man vorsich­tig sein.

Annas einzi­ger Bruder starb ohne männ­li­che Nach­kom­men aus. Wäre sie noch mit Hein­rich verhei­ra­tet gewe­sen, wäre der Nieder­rhein viel­leicht heute englisch. So aber fiel Kleve an den Schwie­ger­sohn von Annas Bruder, den Herzog von Ostpreu­ßen, wohn­haft in Königs­berg, zwölf­hun­dert Kilo­me­ter weiter östlich. Damit wurde Kleve ostpreu­ßisch. Der Herzog starb aber auch in der männ­li­chen Linie aus, und Ostpreu­ßen und Kleve fielen an dessen Schwie­ger­sohn, den Kurfürs­ten von Bran­den­burg, wohn­haft genau in der Mitte zwischen Kleve und Ostpreu­ßen in einem sump­fi­gen Kaff namens Cölln an der Spree, gegen­über einem ebenso sump­fi­gen Kaff namens Berlin. Der Mann, bei dem alles zusam­men­lief, war der Groß­va­ter des Großen Kurfürs­ten.

Zur Abwechs­lung kam später ein Welfe auf den briti­schen Thron: der Kurfürst von Hanno­ver und Schwie­ger­va­ter König Fried­rich Wilhelms I., des Enkels des Großen Kurfürs­ten. Damit wurden Groß­bri­tan­nien und Irland Hanno­vera­nisch. Die Toch­ter des Königs von England und Frau des Königs in Preu­ßen wollte ihre Kinder am liebs­ten nach England verhei­ra­ten; aber daraus wurde nichts.

Als noch später Victo­ria Köni­gin von Groß­bri­tan­nien, Irland, Austra­lien und so weiter wurde, wollte man in Hanno­ver einen rich­ti­gen Mann auf dem Thron haben, und die Länder trenn­ten sich wieder.

Einen weite­ren Anlauf, Groß­bri­tan­nien und Deutsch­land näher zusam­men­zu­brin­gen, unter­nah­men der Sohn Kaiser Wilhelms I. und dessen Frau, die eine Toch­ter von Queen Victo­ria war. Aber auch daraus wurde nichts. Wilhelm II., Enkel von Wilhelm I. und Victo­ria, tat dann alles, um die beiden Reiche zu entzweien. Unter ande­rem redete er schlecht über seinen Onkel.

Victo­ria aber hatte nach ihrer Heirat den deut­schen Fami­li­en­na­men ihres Mannes bekom­men, und weil das nicht gefiel, wurde die Fami­lie 1917 umbe­nannt in Wind­sor. Die Zettel­chen waren damals schon dort.

Eben­falls aus Oppor­tu­nis­mus wurde im Laufe der Zeit Cölln in Berlin umbe­nannt, Kleve-Bran­den­burg-Ostpreu­ßen in Preu­ßen, Rixdorf in Neukölln und Königs­berg in Kali­nin­grad. Auf diesen und ande­ren Etiket­ten­schwin­del komme ich noch zurück.

Wenn aber die Ehe Hein­richs VIII. mit Anna von Kleve gehal­ten hätte, wären hinten weit im Osten Bran­den­burg und Ostpreu­ßen wohl nicht in eine Hand gekom­men. Ob dann jemals etwas aus Berlin gewor­den wäre?

Aber dort sind wir noch nicht. Erst besu­chen wir Versailles, das Spie­gel­bild von Königs­berg.

Aus: Suche nach der Mitte von Berlin

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