Eine Doppelstadt

Und sie konn­ten zuein­an­der nicht kommen

Inner­halb des Außen­rin­ges lagen und liegen mehrere Haupt­städte, aber manche nur halb. Sie gehö­ren zusam­men, versu­chen aber seit jeher, sich vonein­an­der abzu­gren­zen. Auch das hat mit verschie­de­nen Inter­es­sen zu tun.
Fried­rich Wilhelm I. hatte Pots­dam zu seiner Resi­denz auser­ko­ren, gerade weil es so anders war als Berlin.

In den Nieder­lan­den ist es ja so ähnlich. Amster­dam ist die Haupt­stadt. Dort gibt es ein könig­li­ches Schloss. Es wird nur selten benutzt, vor allem für Abdan­kun­gen und Küsse auf dem Balkon. Amster­dam ist anar­chis­tisch, schmut­zig, voller Bordelle und Touris­ten. Die meis­ten Taxi­fah­rer sind unfreund­li­che Schlä­ger­ty­pen. Aber es ist die Haupt­stadt. Das steht sogar im Grund­ge­setz. Im Haag dage­gen gibt es mehrere Schlös­ser, die beiden Parla­mente der Gene­ral­staa­ten, Regie­rungs­ge­bäude, Minis­te­rien und den Staats­rat. Hier wohnt und arbei­tet der König, hier wird regiert, hier findet man kaum Touris­ten, und die Taxi­fah­rer sind höflich und tragen Anzug. Hier gibt es viel altes Geld.

Beide Städte ziehen ganz verschie­den­ar­tige Bewoh­ner an, genau wie Berlin und Pots­dam, die seit Fried­rich Wilhelm I. eine vergleich­bare Arbeits­tei­lung haben. Erst später wurde es unüber­sicht­lich, weil Berlin die Bundes­haupt­stadt ist, mitten in Bran­den­burg liegt, aber nicht dazu­ge­hört, und Pots­dam die Haupt­stadt von Bran­den­burg ist.
Jeden­falls können wir Pots­dam bei der Suche nach der Mitte von Berlin nicht ausklam­mern.

Nach der Wieder­ver­ei­ni­gung Deutsch­lands gab es Versu­che, die Bundes­län­der Berlin und Bran­den­burg zusam­men­zu­fü­gen. Man hat sogar vorge­schla­gen, das neue Gebilde Preu­ßen zu nennen, ohne Rück­sicht auf die Menschen am Nieder­rhein, die nicht mitma­chen dürfen, und die aus Ostpreu­ßen, die inzwi­schen über­all und nirgends leben müssen. Nun haben die drei­ein­halb Millio­nen Berli­ner aber einen Haufen Schul­den und sind es gewohnt, die Bundes­re­pu­blik, ihr eige­nes Bundes­land und ihre eigene Metro­pole schlecht und recht zu regie­ren. Die Grie­chen behaup­ten sogar, die Berli­ner würden auch Grie­chen­land regie­ren. Die Berli­ner sind immer noch frech und anar­chis­tisch veran­lagt. Darum wohnen so viele aus Bonn zuge­zo­gene Regie­rungs­be­amte ja lieber im Bran­den­bur­ger Umland. Die zwei­ein­halb Millio­nen Bran­den­bur­ger haben keine Schul­den, dafür ein riesi­ges, menschen­lee­res Land, wo man fast nirgends gut essen kann, viel mehr Neona­zis als die Berli­ner und wären bei einer Verei­ni­gung in der Minder­heit. Sie müss­ten sich dann statt von Pots­dam von Berlin aus regie­ren lassen, was nicht akzep­ta­bel wäre, oder die Berli­ner müss­ten sich auf Landes­ebene von Pots­dam aus regie­ren lassen, was nicht gutge­hen kann.

Meine Idee wäre, die Stadt Groß-Berlin wieder ausein­an­der­zu­neh­men in die acht Städte, die 1920 zusam­men­ge­fügt wurden. Char­lot­ten­burg, Span­dau, Cöpe­nick und so weiter. Nur dann könnte es gehen. Dann wäre Pots­dam eine natür­li­che Regie­rungs­stadt. Aber wie damals 1971 bei der Erfin­dung der E‑Mail fehlt mir auch zu dieser Idee das Durch­set­zungs­ver­mö­gen.
Außer­dem tut Berlin in letz­ter Zeit alles, um die alten Bezirke zusam­men­zu­le­gen zu Unge­tü­men wie Char­lot­ten­burg-Wilmers­dorf oder Trep­tow-Köpe­nick, und macht dabei auch vor der ehema­li­gen Mauer nicht Halt: Fried­richs­hain-Kreuz­berg. Bald wird man es gar nicht mehr ausein­an­der­neh­men können. Und dane­ben liegt Pots­dam, aber das lässt sich unmög­lich einge­mein­den, weil es wie alles, was neben Berlin liegt, zu einem ganz ande­ren Land gehört.

Aus: Suche nach der Mitte von Berlin

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