Eigentümer schmeißt Theater raus

Sie kommen aus Schwa­ben oder Wilmers­dorf und kaufen sich im Prenz­lauer Berg eine Wohnung. Danach verkla­gen sie die bestehen­den Kultur­ein­rich­tun­gen, weil sie ihnen zu laut sind. So erging es in den vergan­ge­nen Jahren dem über 50 Jahre altem Knaack-Klub und dem Magnet in der Greifs­wal­der Straße, dem Icon in der Canti­an­straße, der Bar zum schmut­zi­gen Hobby in der Ryke­straße, in der Pappel­al­lee dem Club der Repu­blik. Das neuste Opfer dieser Leute, die offen­bar mitten in der Stadt auf dem Dorf wohnen wollen, ist das „Thea­ter o.N. Die freie Thea­ter­gruppe exis­tiert bereits seit fast 40 Jahren, Mitte der 1990er Jahren bezog es die Räume in der Koll­witz­straße 53. Die Eigen­tü­mer­ver­samm­lung beschloss nun am Wochen­ende, dass der Miet­ver­trag für das Thea­ter im Sommer nicht mehr verlän­gert wird. Als Grund wurde ange­ge­ben, dass das Thea­ter zu laut sei, obwohl schon längst zahl­rei­che Gegen­maß­nah­men ergrif­fen wurden. Die Thea­ter­gruppe hat sogar ange­bo­ten, eine Zwischen­de­cke einzu­zie­hen. Doch das wurde von den Eigen­tü­mern abge­lehnt. Vermut­lich haben die Eigen­tü­mer ganz andere Inter­es­sen und der Lärm­schutz ist nur vorge­scho­ben.

Dabei haben die Wohnungs­be­sit­zer vom Senat Subven­tio­nen für die Sanie­rung des Hauses erhal­ten – aller­dings unter der Auflage, Raum für ein sozia­les oder kultu­rel­les Projekt zu güns­ti­ger Miete zu schaf­fen. Die Thea­ter­gruppe zog 1996 in die Räume ein und baute sie selbst aus. Es wurde Platz für 50 Zuschauer/innen geschaf­fen, die meis­ten von ihnen Kinder.

Ob es bei der fakti­schen Kündi­gung wirk­lich um die Laut­stärke geht, ist zu bezwei­feln. Die Senats­auf­la­gen für die Nutzung der Gewer­be­räume laufen dieses Jahr aus und even­tu­ell wollen die Eigen­tü­mer die Räume einfach nur teuer vermie­ten.
Für das Thea­ter o.N. würde dies vermut­lich das Aus bedeu­ten, denn eine ähnli­che Gele­gen­heit wie dort wird sich heut­zu­tage in der Gegend kaum noch finden.

Schon in den Anfangs­jah­ren nach 1979 wurden der dama­li­gen ersten freien Thea­ter­gruppe der DDR viele Steine in den Weg gelegt, zeit­weise hatten sie Auftritts­ver­bot. Sie nannte sich damals noch Zinno­ber und entwi­ckelte basis­de­mo­kra­tisch orga­ni­sier­tes Thea­ter für Kinder und Erwach­sene. Intel­lek­tu­elle wie Heiner Müller, Christa Wolf und Ruth Berg­haus traten für die Idee eines freien Thea­ters ein.
Jetzt im Kapi­ta­lis­mus werden sie nicht von kommu­nis­ti­schen Ideo­lo­gen bekämpft, sondern von denje­ni­gen, die möglichst viel Kohle machen wollen. Es ist erbärm­lich, wie ein paar kleine Haus­ei­gen­tü­mer ihr biss­chen Macht ausspie­len gegen eine freie Thea­ter­gruppe, die Gene­ra­tio­nen von Kindern erste Thea­ter­er­fah­run­gen beschert hat.

www.theater-on.com

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Berlin

Prenzlauer Bett

Hundert Jahre lang war der Prenz­lauer Berg ein Arbei­ter­be­zirk. Genau wie nebenan im Wedding gab es hier zahl­rei­che Miets­ka­ser­nen, manche quer durch den Block. Als die DDR-Führung 1970 beschloss, inner­halb von 20 Jahren jedem Bürger […]

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