Nachts im Tiergarten

Im Großen Tier­gar­ten findet man Ruhe, Sonne, hier kann man Sport trei­ben, auf der Decke liegen, ich habe dort auch schon mehr­mals Cross­golf gespielt. Kinder klet­tern auf Bäume, Rent­ner sitzen im Rosen­gar­ten, Radfah­rer bret­tern durch die Spazier­gän­ger.

Auf einer bestimm­ten Wiese im west­li­chen Teil des Parks sieht man in den Sommer­mo­na­ten nackte Männer liegen, brav auf Bade­tü­chern präsen­tie­ren sie sich dort der lachen­den Sonne.
Nur hundert Meter weiter tref­fen sich andere im dich­ten Gebüsch zum schnel­len Sex. Von außen nicht zu sehen, aber wer den ausge­tre­te­nen Pfaden ins Dickicht folgt, trifft sie dort zu jeder Tages­zeit. Junge Flücht­linge und Osteu­ro­päer verdie­nen sich hier einen schnel­len Euro, aber auch schwule Pärchen, denen der Weg nach Hause zu lang ist.

Vor allem aber sind es Männer, die sich zufäl­lig dort tref­fen. Sie sind erregt, auf der Suche nach einem schnel­len sexu­el­len Aben­teuer. So rich­tig geht es jedoch erst am Abend los. Bis in die frühen Morgen­stun­den hinein bieten sie dem unwis­sen­den Passan­ten ein merk­wür­di­ges Bild: Wer um Mitter­nacht dort spazie­ren geht, wundert sich viel­leicht über die vielen Männer, die am Rand stehen. Manche in klei­nen Grüpp­chen, die meis­ten aber stehen einfach nur da, total unbe­tei­ligt, als wenn sie auf den Bus warten. Einige sind extrem knapp beklei­det, nur mit engem Leder­schlüp­per oder Turn­hose und Muskel­shirt. Kommt jemand vorbei, wird er genau taxiert, von oben nach unten. Passt er ins Beute­schema? Kennt man ihn viel­leicht? Zeigt er eben­falls Inter­esse?

Cool sein ist in dieser Situa­tion das Wich­tigste, bloß nicht zu schnell anbei­ßen. Wenn der andere gezuckt hat, den Blick erwi­dert, seinen Gang verlang­samt, dann gehen geht es los. Entwe­der schlen­dert man ihm unauf­fäl­lig hinter­her oder er selber bleibt stehen, dreht sich um. Man lockt sich gegen­sei­tig. Wenn beide erst­mal ange­bis­sen haben, begingt die meist kurze Konver­sa­tion: „Na.“ — „Haste Lust?“ – „Na klar.“

Zusam­men gehen sie ein paar Meter den Weg durch den Park, bis eine der vielen Pfade ins Gebüsch führt. Dort verschwin­den sie dann, lehnen sich an einen Baum, ziehen sich gegen­sei­tig aus und haben Sex in jegli­cher Form. Es stört auch nicht, wenn am nächs­ten Baum ein ande­res Pärchen vögelt, manch­mal tun sie sich sogar zusam­men, gele­gent­lich bilden sich ganze Grup­pen.

Wenn in einer warmen Sommer­nacht sehr spät manch­mal 100, 200 Männer dort unter­wegs sind, geht es auch mal direkt auf dem Weg zur Sache. Das macht die ande­ren an, die dann mitma­chen. Wenn alle fertig sind, verschwin­den die Betei­lig­ten zur Straße oder quer durch den Park zur nächs­ten Bahn.

Ähnlich läuft es auf der ande­ren Seite der Straße des 17. Juni. Ein klei­ne­res Gebiet, weni­ger Männer, aber genauso umtrie­big. Manch­mal trei­ben sie es auf den Tisch­ten­nis­plat­ten, selten nur zu zweit. Da gibt es die harten Kerle, mit ihren am Hintern ausge­schnit­te­nen Leder­ho­sen. Die ange­trun­ke­nen türki­schen Männer, die tags­über brave Bürger sind. Manche Studen­ten kommen mit dem Fahr­rad, schlei­chen über den Rasen und die Wege. Alle haben die Augen über­all, beson­ders in den Neumond­näch­ten, in denen es hier beson­ders fins­ter ist.

Es gibt den alten dicken Mann, der sich nackt auf die Bank legt und hofft, dass sich jemand an ihm vergeht. Oder die Span­ner, die sich um die vögeln­den Männer stel­len und onanie­ren. Und bei mancher Husche ahnt man schon, dass es das erste Mal ist, dass er es einfach mal auspro­bie­ren möchte.

Als ich mal als junger Mann dort war, machte die Poli­zei nachts hier Razzien. Sie umstellte den Park und jagte alle, die sie krie­gen konn­ten. Die beka­men dann Straf­an­zei­gen wegen Erre­gung öffent­li­chen Ärger­nis­ses. Dabei war das einzige Ärger­nis die Poli­zei selbst.

Klar kann es auch gefähr­lich sein. Eine Gruppe von drei, vier arabi­schen Jungs, zog in diesem Sommer öfters laut­stark quer durch diesen Teil des Parks und versuchte, schreck­hafte Crui­ser einzu­schüch­tern. Eines Nachts grif­fen sie jeman­den an, der darauf­hin um Hilfe rief – und es kamen genug, um den Jungs klar­zu­ma­chen, dass sie dort nicht mehr erwünscht sind.

Und es gibt die andere Gefahr. Viele prak­ti­zie­ren hier unge­schütz­ten Sex, ihre Geil­heit schal­tet das Gehirn aus und wenn es am nächs­ten Tag so komisch juckt oder nach einige Mona­ten eine HIV-Diagnose kommt, ist es zu spät, um ein Kondom zu benut­zen.

Das Crui­sing nachts im Tier­gar­ten ist für manche die einzige Gele­gen­heit, Sex zu haben. Sie sind in ihrem Alltag nicht geoutet und gehen auch nicht in Clubs oder Bars. Sie finden hier eine schnelle Befrie­di­gung, anonym und ohne weitere Verpflich­tun­gen. Das kann man mora­lisch verwerf­lich finden, aber es bleibt jedem selbst über­las­sen. Es ist der Vorteil der Groß­stadt.
Ein guter Freund von mir seufzte kürz­lich: „Schade, dass es sowas nicht auch für Hete­ros gibt“.

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