Neuer, alter Weltbaum

1975: Noch nicht lange ist die Umwelt­ver­schmut­zung in der deut­schen Gesell­schaft ein Thema. Poli­tik und Medien grei­fen es nur zöger­lich auf. Mitten in diese Zeit malt der Künst­ler Ben Wagin zusam­men mit Freun­den im Zentrum des alten West-Berlins ein Wand­bild, auf dem die von Menschen gemachte Zerstö­rung der Umwelt thema­ti­siert wird. Es ist das erste große Wand­bild im Nach­kriegs-Berlin, das nicht kommer­zi­el­ler Werbung dient. Und es ist sehr aussa­ge­kräf­tig. Im Zentrum steht ein Baum, der vor Schmer­zen schreit und das Wald­ster­ben symbo­li­siert. Dane­ben ein Auspuff­topf, als Beispiel für die Ursa­che der Umwelt­ver­schmut­zung. Über allem werden auf einem Fracht­schiff neue Bäume impor­tiert, weil die alten dem sauren Regen zum Opfer gefal­len sind.

Direkt am S‑Bhf. Tier­gar­ten konnte man das Bild 43 Jahre lang sehen, auch wenn es in der Zeit immer mehr verwit­tert ist. Nun aber schien sein Ende gekom­men zu sein, denn direkt davor wird nun ein Neubau gesetzt. Bald ist dann nichts mehr übrig.

Aber das Bild wurde trotz­dem geret­tet. Als Auftakt des Mural-Festi­vals, in dem in den kommen­den Wochen Dutzende neuer Wand­bil­der in Berlin entste­hen, wurde der Welt­baum verpflanzt. Eine Künst­ler­gruppe, die mit Ben Wagin freund­schaft­lich verbun­den ist, hat es origi­nal­ge­treu an eine neue Haus­wand gemalt. Seit heute strahlt der Welt­baum 2.0 an der Lehr­ter Straße 27–30 in Moabit in frischen Farben. Bei der offi­zi­el­len Umtop­fung griff Ben Wagin sogar selber zur Schau­fel. Der Kultur­se­na­tor Klaus Lede­rer hielt eine liebe­volle Rede auf den ursprüng­li­chen Künst­ler. Ben Wagin sagte, dass man damals extra Leute zur Einwei­hung des Bildes in die Bach­straße mobi­li­sie­ren musste. Heute thront es über einem gut besuch­ten Spiel­platz und ist nicht allein.

Nur einen klei­nen Wermuts­trop­fen gibt es noch: Bisher wohnte Ben Wagin nur 100 Meter von seinem Werk entfernt, nun muss er ein paar Kilo­me­ter fahren, um es sehen zu können. Dafür aber strahlt es heute wieder in alter Kraft. Und darauf kommt es ja an. Es ist wohl das einzige Wand­bild in Berlin, das jemals umge­zo­gen ist.

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