Ihr seid doch alles Migranten!

Seit im Sommer 2015 über eine Million Flücht­linge aus dem Nahen Osten und Afgha­ni­stan nach Europa kamen, stan­den hier viele Menschen kurz vor einem Herz­kas­per. Und noch heute gibt es etli­che, die meinen, dass die bösen Flücht­linge “unser Deutsch­land” kaputt machen würden, dass die “deut­sche Iden­ti­tät” verschwin­det und dass “unsere Werte” bald nicht mehr gelten würden. Was für ein Blöd­sinn.

Es sind zwei Grup­pen von Menschen, die derzeit nach Europa kommen. Die einen wollen möglichst wieder in ihre Heimat zurück­keh­ren, sowie sie dort nicht mehr verfolgt werden oder keinem Krieg mehr ausge­setzt sind. Die ande­ren sehen ihre Zukunft bei uns. Und damit sind sie nicht allein. Wer eini­ger­ma­ßen realis­tisch ist, weiß, dass z.B. Deutsch­land ohne die Einwan­de­rer gar keine Zukunft mehr hätte, schon allein aus wirt­schaft­li­chen Grün­den nicht. Bei einer Gebur­ten­rate von 1,2 Kindern pro deut­schem Paar kann man sich ausrech­nen, wann der letzte Germane auf der deut­schen Scholle wandelt. Schon allein deshalb ist Migra­tion nötig.

Und sie ist ja nicht unge­wöhn­lich: Einwan­de­rung gab es zu allen Zeiten. Vor ziem­lich genau 100 Jahren kamen hundert­tau­sende Russen, die vor der Revo­lu­tion flohen. Ihnen folg­ten 1945 etwa 4 Millio­nen Vertrie­bene aus den alten Ostge­bie­ten. 1 1/2 bis 2 Millio­nen Menschen flohen vor 1961 aus der DDR in die Bundes­re­pu­blik, in den 1970er Jahren kamen über 1 Million “Gast­ar­bei­ter” aus der Türkei, Italien, Grie­chen­land sowie viele Flücht­linge aus Viet­nam.
All diese Menschen fanden hier ihren Platz, auch wenn viele von ihnen anfangs ange­fein­det wurden.
Schaut man noch weiter zurück, einige hundert Jahre, wird eines deut­lich: Die, die wir heute “Deut­sche” nennen, sind prak­tisch alles Nach­fah­ren von Immi­gran­ten. Unsere Urgroß­el­tern oder noch ältere Ahnen stam­men daher, wo heute Frank­reich, Polen oder Skan­di­na­vien liegt. Und wenn man ganz weit nach hinten schaut, dann stam­men wir sogar alle aus Afrika ab.

Es war schon immer normal, das eigene Land zu verlas­sen und sich woan­ders anzu­sie­deln. Oft ist das die Folge von Unter­drü­ckung, wie im 17. Jahr­hun­dert, als die Huge­not­ten aus Frank­reich nach Preu­ßen kamen. 200 Jahre später wander­ten rund 6 Millio­nen Deut­sche nach Amerika aus, weil sie unter der Knute des Adels stan­den. In den 1930er Jahre gingen mehrere Millio­nen deut­sche Juden ins Exil nach Paläs­tina und in andere Länder, um ihrer Ermor­dung durch die Nazis zu entge­hen.
Andere flohen vor den vielen Krie­gen, was auch bis heute aktu­ell ist.

Ein- und Auswan­de­rung hiel­ten sich über die Jahr­hun­derte bei uns die Waage. Die ein bis zwei Millio­nen Flücht­linge, die jetzt in Deutsch­land leben, sind eher wenig. Wir als eines der reichs­ten Staa­ten welt­weit bräuch­ten kein Problem damit haben. Finan­zi­ell ist es einfach, sie zu versor­gen. Ihnen eine beruf­li­che und gesell­schaft­li­che Perspek­tive zu verschaf­fen, eben­falls. Was nur fehlt, ist der Wille.
Von der Bild-Zeitung, über Horst Seeho­fer bis hin zur AfD wird der Super-GAU an die Wand gemalt. Es wird von Terror­ge­fahr gere­det, vom “Verlust der deut­schen Iden­ti­tät” und davon, dass die sozia­len Systeme ausge­nutzt werden. Natio­na­lis­mus und Rassis­mus sind derzeit en vogue, dabei haben die Befürch­tun­gen hier über­haupt keinen realen Hinter­grund. Die sozia­len Systeme werden eher von der FDP oder Leuten wie Jens Spahn zerstört, als von Ali aus Syrien. Einge­reiste isla­mi­sche Terro­ris­ten haben weit weni­ger Menschen­le­ben ausge­löscht, als deut­sche Neona­zis. Und was die deut­sche Iden­ti­tät betrifft: Was soll das sein? Sauer­kraut, Schuh­platt­lern?

Natür­lich müssen sich Zuwan­de­rer in die Gesell­schaft einfü­gen, in die sie kommen, das ist gar keine Frage. Und der weit­aus größte Teil versucht das auch. Anders als viele Deut­sche, die z.B. nach Asien auswan­dern, aber dort nicht mal die Landes­spra­che lernen. Und sicher gibt es auch bei den Immi­gran­ten in Deutsch­land viele, die sich nicht anpas­sen wollen. Aber all dieje­ni­gen, die sich in deut­schen Landen inte­grie­ren, kann man nicht mit denen gleich­set­zen. Es ist purer Rassis­mus, wenn man das Verhal­ten Einzel­ner oder rela­tiv klei­ner Grup­pen auf die Mehr­heit der Betrof­fe­nen über­trägt, nur weil sie z.B. aus dem glei­chen Land stam­men oder sie der glei­chen Reli­gion anhän­gen.
Migra­tion nach Deutsch­land ist möglich und nötig. Und es ist wich­tig, dass sich alle anpas­sen. Die Immi­gran­ten genauso wie dieje­ni­gen, die hier gebo­ren sind.

print

Zufallstreffer

Orte

Anhalter Bahnhof

Es gibt in Berlin einige lang­ge­zo­gene Brach­flä­chen, denen man ansieht, dass hier einmal ein sehr großes Bauwerk gestan­den hat. Direkt am Pots­da­mer Platz ist solch eine Fläche, am Spree­wald­platz in Kreuz­berg und an der Inva­li­den­straße […]

Schreibe den ersten Kommentar

Hier kannst Du kommentieren

Deine Mailadresse ist nicht offen sichtbar.


*