Er ist noch da

Am Tag, nach­dem mein Freund Micha gestor­ben ist, besuchte ich seine Fami­lie. Die Mutter und Geschwis­ter waren sehr aufge­regt. Aber nicht nur wegen seines Todes: Kurz vor meiner Ankunft hatte sich eine Tür bewegt, außer­dem ein Ball, der auf dem Boden gele­gen hat. Doch es gab in der Wohnung keinen Durch­zug und so war es ihnen so unheim­lich, dass sie alle erst­mal raus woll­ten. Ich fand es nicht so schlimm und sagte ihnen, dass es doch sein könne, dass es ein Zeichen von Micha ist.

Am nächs­ten Tag hatte ich zuhause auch plötz­lich das Gefühl, dass er im Raum ist. Er hat fünf Jahre hier gelebt, die Wohnung war ihm vertraut.
Eigent­lich glaube ich nicht daran, dass man nach dem Tod auf irgend­ei­ner Ebene weiter lebt. Aber wissen tu ich es genauso wenig, wie jeder andere Mensch, auch wenn manche so tun, als wüss­ten sie ganz genau bescheid. Viel­leicht gibt es ja wirk­lich so etwas wie eine Seele, die den Körper über­lebt. Und mögli­cher­weise spürt man es als Leben­der, wenn sie anwe­send ist. Ich will das nicht ausschlie­ßen, auch wenn mein logi­sches Denken sagt, dass es nicht sein kann.

In den Wochen danach hatte ich das Gefühl noch mehrere Male, dass Micha im Raum ist. Immer nur wenige Minu­ten, aber inten­siv. Auch wenn es unheim­lich oder unge­wohnt ist, habe ich dabei keine Angst. Im Gegen­teil, es hat mich immer etwas beru­higt, weil es ja sein kann, dass er noch ein biss­chen hier ist. Jeden­falls manch­mal, wenn auch nicht körper­lich.
Seine Mutter hat mir erzählt, dass sie auch schon mehr­mals gespürt hat, dass er neben ihr steht.

Ich werde das nicht “aufklä­ren” können, muss ich auch nicht. Es gibt mir einfach ein schö­nes Gefühl, weil er viel­leicht noch nicht ganz weg ist. Es trös­tet mich ein wenig. Hoffent­lich ist es nicht schon ganz vorbei.

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