Bahn will die Yorckbrücken loswerden

Wer von Kreuz­berg nach Schö­ne­berg fährt, für den sind sie nichts beson­de­res: Die 30 Brücken über der Yorck­straße, fast alle verros­tet, bilden schon fast einen Tunnel. Ihr morbi­der Charme faszi­nierte schon manchen Filme­ma­cher und offen­bar sind auch viele Auto­fah­rer durch sie irri­tiert. Fast täglich gibt es hier Unfälle, deshalb wurden den rosti­gen Pfei­lern schon vor Jahren Beton­man­schet­ten umlegt.
Die zwischen 1873 und 1940 errich­te­ten Brücken waren einst die wich­tigs­ten Verkehrs­adern nach Berlin. Hier fuhren die Züge zum legen­dä­ren Anhal­ter Bahn­hof und zum Pots­da­mer Bahn­hof, außer­dem zum späte­ren Paket­bahn­hof Gleis­drei­eck. Zusätz­lich gibt hier zwei S‑Bahn-Linien, die meis­ten der Brücken sind heute jedoch außer Betrieb. Vorbei ist aller­dings die Zeit, in der man hier auf das verwil­derte Bahn­ge­lände klet­tern konnte, Parties feiern und sogar Lager­feuer auf der einen oder ande­ren Brücke entfa­chen. Da das Gelände und damit auch die Brücken während der Teilung der Stadt zur DDR gehörte, konnte die West-Berli­ner Poli­zei nicht eingrei­fen.

Heute werden die oben gele­ge­nen Grund­stü­cke wieder genutzt oder sind verplant und bei manchen Planun­gen stören die Brücken. Deshalb will die Deut­sche Bahn AG die 20 nicht mehr genutz­ten Brücken loswer­den, auch um das Geld für die Instand­hal­tung und Siche­rungs­maß­nah­men zu sparen. Gegen einen Abriss gibt es aber Wider­stand. Da die Bauwerke seit zehn Jahren unter Denk­mal­schutz stehen, müsste die Bedei­ti­gung sehr gut begrün­det werden. Auch die Bezirke Fried­richs­hain-Kreuz­berg und Tempel­hof-Schö­ne­berg wollen sie unbe­dingt erhal­ten, da sie als Verbin­dung zwischen den geplan­ten Grün­zü­gen südlich der Yorck­straße und des neuen Gleis­drei­eck-Parks dienen soll. Selbst im Abge­ord­ne­ten­haus soll der Erhalt der Brücken disku­tiert werden: “Ihr Abriss bedeu­tet einen nicht wieder gutzu­ma­chen­den Gesichts­ver­lust für die Berli­ner Innen­stadt”, sagte der kultur­po­li­ti­sche Spre­cher der CDU, Uwe Lehmann-Brauns, der Berli­ner Zeitung.
Die Bahn aber will auf Dauer diesen Klotz am Bein loswer­den. Daher begrüßt sie auch den Vorschlag des “Akti­ons­bünd­nis­ses Gleis­drei­eck”, dass sie die histo­ri­schen Brücken an das Land abgibt. Selbst dem Verkauf zu einem rein symbo­li­schen Preis steht sie posi­tiv gegen­über. Dann wäre Berlin für die Erhal­tung der Bauwerke zustän­dig und bei der derzei­ti­gen finan­zi­el­len Situa­tion würde das bedeu­ten, dass sich auch in den nächs­ten Jahren nichts grund­le­gend ändert.
Bis dahin werden die Brücken vor allem den Spray­ern als Unter­grund für ihre Werke dienen — und den Verlieb­ten, die ihre Schwüre mit Wand­farbe auf die rosti­gen Stahl­plat­ten malen. Bleibt zu hoffen, dass die Liebe länger hält, als die Sprü­che.

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1 Kommentar

  1. Um alles in der Welt — die Brücken müssen erhal­ten blei­ben. Die Verant­wort­li­chen der Stadt haben in den vergan­ge­nen Jahr­zehn­ten schon viel zu viel abge­ris­sen. In diesem Falle muss die Stadt (der zustän­dige Senat ist hier gemeint) sich für den Erhalt einset­zen. Das ist ihre (seine) Pflicht!!! Die Bahn schmeisst ihnen (die Brücken) ohne­hin hinter­her.
    Aber wie ich den Laden hier kenne, geschieht wieder einmal nichts. Und wenn über­haupt, dann nichts Vernünf­ti­ges. Die Bürger werden ja ohne­hin nicht gefragt.
    Und die Bahn (naja, bei diesem Manage­ment) war, was den neuen Haupt­bahn­hof betrifft, sehr spen­da­bel. Aber für Zeug­nisse aus ihrer eige­nen Vergan­gen­heit ist kein Geld da. Wen wundert’s?!
    Bleibt abzu­war­ten was geschieht.
    M.H.

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