Hallo, Sie da!

Ich gehöre nicht zu denje­ni­gen, die sich bei jedem “Hallo” sofort umdre­hen, erst recht nicht, wenn sich um mich herum noch hundert andere Leute tummeln. Dies­mal aber war außer mir gar keiner da, trotz­dem habe ich das Rufen nicht auf mich bezo­gen. Erst als ich hinter mir das Rennen eines Mannes hörte und er mir noch hinter­her rief “blei­ben Sie mal stehen!”, drehte ich mich um. Ich hätte es sein lassen sollen.
Nach nur zehn Metern Spurt blieb keuchend ein etwa 60 Jahre alter Mann hinter mir stehen, der erst ein paar­mal tief Luft holte. “Haben sie mich denn nicht gehört?”
“Doch.”
“Wieso blei­ben Sie dann nicht stehen?”
“Was wollen Sie von mir?”
Lang­sam konnte er wieder einger­ma­ßen normal spre­chen. Leider tat er es nicht, sondern schal­tete direkt in den Empört-Modus:
“Sie haben da hinten Ihre Zeitung verges­sen.”
“Nein, die hab ich nicht verges­sen, sondern in den Papier­korb gesteckt.”
“Eben. Und das ist verbo­ten.”
“Seit wann ist es verbo­ten, Zeitun­gen in Papier­körbe zu werfen?” Ich verstand wirk­lich nicht, was er von mir wollte.
“Der Papier­korb gehört zum Kran­ken­haus. Sie sind aber nicht aus dem Kran­ken­haus gekom­men, also dürfen Sie den auch nicht benut­zen!”

Einen Moment über­legte ich, ob der Kerl mich verar­schen wollte. Aber sein Blick war wirk­lich so entschlos­sen, dass ich mir ernst­haft Sorgen um seinen Blut­druck machte. Trotz­dem konnte ich ihn nicht ernst nehmen.
“Man darf dort also nur Müll einwer­fen, wenn man krank ist, ja? Das steht aber nicht dran.”
“Das hat damit nichts zu tun. Der Müll­ei­mer steht auf dem Kran­ken­haus­ge­lände, was sie da gemacht haben, ist Haus­frie­dens­bruch.”
“Ja, ja, alles klar.” Mir war es zu blöd und ich drehte mich um, um weiter meiner Wege zu gehen. Aber damit war er gar nicht einver­stan­den. Im Kaser­nen­hof­ton brüll­ter er: “STEHEN­BLEI­BEN!”
Nun war ich es, der lang­sam wütend wurde. Ich drehte mich um, ging einen Schritt auf ihn zu, ballte meine Fäuste und schnauzte ihn an: “Was willst du, hä? Mach, dass du verschwin­dest, du Spin­ner!”

In diesem Moment kam ein Poli­zei­wa­gen vorbei, die Beam­ten bemerk­ten die Ausein­an­der­set­zung und stopp­ten. “Gibt’s Probleme?”, frag­ten sie aus dem Auto heraus. Mein Block­wart rannte sofort zu ihnen und regte sich nun bei denen auf. Tatsäch­lich stie­gen beide Beam­ten aus, einer ging mit ihm zum Papier­korb, während der andere mich fragte, was eigent­lich los sei. Ich antwor­tete, dass der Mann wohl einen schlech­ten Tag hätte und ich jetzt gerne weiter­ge­hen würde. Aber der Poli­zist nahm mich mit zu dem Müll­ei­mer, in dem das Tatwerk­zeug — meine Zeitung — gut zu sehen war. Aller­dings belehrte der Beamte nun den Mann, dass er bei bestem Willen keine Straf­tat erken­nen könnte. Zudem steht der Papier­korb zwar gut einen Meter inner­halb der Einfahrt zum Kran­ken­haus, es ist aber ein Müll­ei­mer der BSR und keiner der Klinik. Inso­fern ist er auch öffent­lich nutz­bar.

Das wollte der Hyste­ri­ker natür­lich nicht einse­hen, aber ich hatte einfach keine Lust mehr auf sein Gela­ber. “Ich gehe dann mal, ja? Viel Spaß noch.” Dabei musste ich etwas lachen, deshalb brüllte der Kerl wieder los: “Dein dämli­ches Grin­sen wird dir noch verge­hen! Ich kriege dich noch!”
Die Poli­zis­ten hiel­ten ihn fest und versuch­ten ihn zu beru­hi­gen. Ich aber hatte genug. Immer­hin war ich erst seit einer Vier­tel­stunde wach und wollte den Tag nicht gleich mit solch einem Stress begin­nen. Als ich später auf dem Rück­weg wieder an der Einfahrt vorbei kam, sah ich den Mann mit zwei ande­ren im Kran­ken­haus­ge­lände auf einer Bank sitzen und Bier trin­ken. Es war also nicht mal ein Ange­stell­ter der Klinik. Ich habe keine Ahnung, wieso er solch einen Aufstand veran­stal­tet hatte.

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Zufallstreffer

Berlin

Kein guter Abend

Es ist kalt. Am Abend geht die Tempe­ra­tur schon weit unter die Null-Grad-Marke, das Laub auf dem Bürger­steig ist glatt. Wer wie ich einen schnel­len Schritt hat, muss aufpas­sen, nicht auszu­rut­schen. Vor allem, wenn man […]

6 Kommentare

  1. Die Menschen sind eben unter­schied­lich. der eine hat seine Zeitung schon eine Vier­tel­stunde nach dem aufwa­chen gele­sen, der andere regt sich gerne auch über nix auf… ;-)

  2. Gut aufge­passt, aber trotz­dem dane­ben :-D
    Wirt­schaft und Sport flie­gen bei mir schon auf dem Weg zum Bäcker raus, inso­fern war es in Wirk­lich­keit nur eine halbe Zeitung.

  3. Bei “Dein dämli­ches Grin­sen wird dir noch verge­hen!” hättest du zwei wunder­bare Zeugen in Poli­zei­uni­form wegen Beilei­di­gung gehabt. Was denkst du wie der geguckt hätte, wenn du dich damit an die Poli­zis­ten gewandt hättest. Aber wahr­schein­lich hätte er dann wegen einem Herz­kas­per das Kran­ken­haus gebraucht, gut dass du erwach­sen reagiert hast… ;)

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