Die Badeanstalten in der Spree

In der Spree inner­halb Berlins gilt ein Bade­ver­bot. Das war jedoch nicht immer so. Vor über 200 Jahren began­nen mehrere Privat­un­ter­neh­mer, Fluss-Bade­an­stal­ten zu instal­lie­ren. Begon­nen hatte es mit dem Welper­sches Bade­schiff an der Langen Brücke (1803), es folge das Bad an der Kron­prin­zen­brü­cke (1811), Pfuels Mili­tär­un­ter­richts- und Schwimm­an­stalt an der Köpe­ni­cker Str. 12, die auch Zivi­lis­ten zugäng­lich war (1817) sowie 1825 die Poch­ha­mer­sche Bade­an­stalt, west­lich der Janno­witz­brü­cke.

Der 1830 entstan­dene Plan, ein erstes städ­ti­sche Fluss­bad zu errich­ten schlug fehl, weil die Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung dies zur “Vermei­dung von Unglücks­fäl­len” ablehnte. Der Magis­trat, die Poli­zei­be­hörde sowie Schu­len forder­ten jedoch öffent­li­che Bade­an­stal­ten zur “Verbrei­tung der Schwimm­kunst”. Dabei dien­ten die Anstal­ten nicht nur dem Schwim­men lernen, sondern auch der Hygiene — auch wenn man sich das in der Spree kaum vorstel­len kann. Tatsäch­lich gab es aber schon im Mittel­al­ter soge­nannte Bade­stu­ben am Krögel (nörd­li­che Mühlen­damm­brü­cke), dem Köll­ni­schen Fisch­markt (nörd­li­che Mühlen­damm­brü­cke) und dem Neuen Markt (heute Marx-Engels-Forum), die eben­falls das Wasser der Spree nutz­ten.
Unab­hän­gig von der Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung entstand 1847 die erste staat­li­che Fluss-Bade­an­stalt, die jedoch gar nicht an einem Fluss lag, das Studen­ten­bad an der Rati­bor­straße, an der Biegung des Land­wehr­ka­nals.

1850 beschloss das Berli­ner Parla­ment, nahe der Waisen­brü­cke einen soge­nann­ten Bade­p­rahm zu errich­ten. Das war ein Bade­schiff, das von der ärme­ren Bevöl­ke­rung kosten­los genutzt werden konnte, aller­dings nur von Männern. Auch in alle folgen­den Fluss- und Kanal­ba­de­an­stal­ten durf­ten nur Männer: An der Fenn­brü­cke am Nord­ha­fen, an der Burg­straße sowie der Schloss­frei­heit. Die erste beiden Frauen-Bade­an­stal­ten entstan­den ab 1863 an der Waisen- und der Schil­ling­brü­cke. Es folg­ten weitere Bäder, nach Geschlech­tern getrennt, u.a. an der Lessing­brü­cke, der Mühlen- und der Cuvry­straße sowie ein zwei­tes im Nord­ha­fen.

Die Fluss-Bade­an­stal­ten waren in der Regel aus Holz und hatten eine, manche auch zwei Etagen. Dort befan­den sich die Einzel- und Grup­pen­ka­bi­nen zum Umzie­hen inklu­sive abschließ­ba­ren Schrän­ken. Der eigent­li­che Schwimm­be­reich war durch hohe Holz­zäune mitten im Wasser abge­grenzt.
Dass es einen Bedarf für die Bäder gab, zeigen die Nutzer­zah­len. 1885 nutzen 600.000 Menschen die Gele­gen­heit zum Baden und Schwim­men, allein in den städ­ti­schen Anstal­ten. Zwan­zig Jahre später waren es fast 900.000. Und das, obwohl bereits einige feste Bauten als Volks­schwimm­hal­len errich­tet worden waren, wie die in der Garten­straße (1888), der Baer­wald- (1901), Ober­ber­ger (1902) und der Gericht­straße (1907).

Nach dem Ersten Welt­krieg begann der Nieder­gang der Fluss-Bade­an­stal­ten. Dies hatte mehrere Gründe. Zum einen stieg der Schiffs­ver­kehr, der durch die Aufbau­ten der Bäder behin­dert wurde. Außer­dem wurden die Ufer der Spree immer weiter zuge­baut. Dadurch war nicht nur weni­ger Platz an den Ufern, sondern die vermehr­ten Einflüsse der Abwäs­ser verschmutz­ten die Spree derart, dass sie aus hygie­ni­schen Grün­den nicht mehr zum Baden geeig­net war. Dazu kam noch die wach­sende Indus­tria­li­sie­rung fluss­auf­wärts, durch den der Fluss eben­falls verschmutzt wurde. Am 20. Mai 1925 beschloss der Magis­trat auf Drän­gen des Haupt­ge­sund­heits­am­tes die Schlie­ßung der verblie­be­nen Fluss-Bade­an­stal­ten in der Spree sowie den Kanä­len. Zwar betraf das Verbot nur die städ­ti­schen Einrich­tun­gen, doch auch die meis­ten priva­ten Bäder schlos­sen in den folgen­den Mona­ten. Nur das Studen­ten­bad an der Rati­bor­straße bestand noch bis 1956, insge­samt also über 100 Jahre. Dann wurde es aufgrund der schlech­ten hygie­ni­schen Bedin­gun­gen eben­falls geschlos­sen. Damit war eine 150 Jahre währende Epoche der Bade­kul­tur in Berlin zu Ende. Insge­samt hatte es in dieser Zeit zwischen Ober­spree und Moabit mindes­tens 30 private und städ­ti­sche Fluss-Bade­an­stal­ten gege­ben. Noch heute erin­nert in Rummels­burg daran der Stra­ßen­name “Zur alten Fluss­ba­de­an­stalt”.

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2 Kommentare

  1. Inzwi­schen geht die Entwick­lung aber wieder in die andere Rich­tung, nämlich dass das Baden in den Flüs­sen gesund­heit­lich wieder unbe­denk­li­cher gewor­den ist. Auch wenn es meist noch nicht erlaubt ist, wegen in den letz­ten Jahr­zehn­ten erhöh­ten Anfor­de­run­gen an die Quali­tät von Bade­ge­wäs­sern.
    Es gibt doch Bestre­bun­gen in Mitte, einen Teil der Spree offi­zi­ell beschwimm­bar zu machen. (Seit ich vor eini­gen Jahren das Baden in Fluss/See/Meer für mich entdeckt habe, mag ich die geka­chel­ten Bade­an­stal­ten noch weni­ger.)

  2. Hallo, ich wollte mich melden um Ihnen endlich zu sagen, wie toll ich diese Seite finde: unglaub­lich inter­es­sant, sehr gut recher­chiert und span­nend geschrie­ben. Immer eine Freude zu lesen:-)

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