Die Berliner Kanalisation

Das Berli­ner Abwas­ser-System exis­tiert bereits seit dem 19. Jahr­hun­dert. Vor seinem Bau herrsch­ten in der Stadt hygie­nisch unzu­mut­bare Verhält­nisse. Alles was aus den Häusern und von der Straße an Schmutz­was­ser zusam­men kam, landete im Rinn­stein. Die Rinn­steine waren kleine Kanäle, ca. 50 breit und tief, die nach oben offen waren, nur an den Haus­ein­gän­gen waren Bret­ter darüber gelegt. Diese Kanäle verlie­fen zwischen dem Fahr­damm und dem Bürger­steig. Alles was in den Häusern und Höfen an Abwas­ser abfiel, also Abwasch­was­ser, Fäka­lien usw., wurde durch Röhren im Haus (soge­nannte Gossen), nach vorne in den Rinn­stein gelei­tet. Da die Rinn­steine offen waren, verbrei­te­ten sie zahl­rei­che Krank­hei­ten und einen extre­men Geruch. Zumal die Abwäs­ser darin nicht nur abflos­sen, sondern auch stan­den, weil das Gefälle oft zu gering war. Außer­dem waren die meis­ten Rinn­steine nach unten hin nicht dicht, viel Abwas­ser drang in den Boden ein und verun­rei­nigte damit das Grund­was­ser. Die Rinn­steine führ­ten direkt zur Spree oder in den Spree­ka­nal, man kann sich vorstel­len, wie die Spree fluss­ab­wärts gestun­ken haben muss.

Im Jahr 1856 wurde ein Plan verwirk­licht, der zwar gut gemeint war, aber leider das Gegen­teil erreichte: Durch das neue Wasser­werk am Stra­lauer Tor wurden die Rinn­steine von nun an durch­ge­spült. Gleich­zei­tig erleich­terte das Wasser­werk die Entnahme von Frisch­was­ser, was den Verbrauch enorm stei­gerte. Dadurch stie­gen aber auch die Abwas­ser­men­gen, die Rinn­steine konn­ten sie nicht mehr fassen, so dass sie sich teil­weise über die Stra­ßen verteil­ten.

1860 erhielt Baurat Fried­rich Wiebe vom Minis­ter von der Heydt den Auftrag, einen Plan für die Entwäs­se­rung der Stadt zu entwi­ckeln. Wiebe entwi­ckelte eine Planung, die jedoch von der Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung abge­lehnt wurde: Beid­sei­tig der Spree sollte je ein brei­ter Kanal gebaut werden, von denen weitere Verzwei­gun­gen abgin­gen, in die das Abwas­ser flie­ßen sollte. Alles sollte dann gesam­melt wieder in die Spree geführt werden.

Statt­des­sen wurde 1867 eine Arbeits­gruppe gebil­det, gelei­tet vom Medi­zi­ner Rudolf Virchow, die alle bishe­ri­gen Unter­su­chun­gen zusam­men­fas­sen und einen Lösungs­vor­schlag vorle­gen sollte. Baurat James Hobrecht, der eben­falls der Gruppe ange­hörte, entwi­ckelte 1871 einen Plan, der zwei Jahre später vom Magis­trat beschlos­sen wurde und der sofort verwirk­licht werden sollte.
Hobrecht hatte die Stadt, inklu­sive deren anzu­neh­men­den Ausdeh­nung, in zwölf vonein­an­der unab­hän­gige Kanal­sys­teme unter­teilt. Dabei orien­tierte er sich an der natür­li­chen Gelän­de­for­ma­tion Berlins. An den jeweils tiefs­ten Punk­ten dieser Areale waren Pump­werke vorge­se­hen. Die Abwäs­ser der Stadt soll­ten in unter­ir­di­schen Kanä­len, die aus Ton gemau­ert wurden, zu den Pump­wer­ken geführt werden. Von hier aus wurden sie durch Druck­rohre auf Riesel­fel­der gelei­tet, die sich weit außer­halb der Stadt befan­den. 1878 ging das erste System in Betrieb und pumpte die Abwäs­ser aus der Gegend um den Anhal­ter Bahn­hof ab.

Seit­dem ist das System auf 8.800 Kilo­me­ter Länge ange­wach­sen, Drei­vier­tel der Abwäs­ser werden getrennt: In Regen­was­ser von den Stra­ßen­gul­lys sowie Schmutz­was­ser aus den Wohn­häu­sern und Betrie­ben. Das Regen­was­ser wird in natür­li­che Gewäs­ser weiter­ge­lei­tet, vorher macht es aber einen Umweg über sog. Regen­be­cken, in denen Schmutz wie Hunde­kot, Abfälle, Ölreste von Autos, Baustel­len­schmutz usw. heraus­ge­fil­tert werden.
Das Schmutz­was­ser dage­gen wird in die Klär­werke gelei­tet. Dort landen auch die ca. 25 Prozent Abwas­ser aus den Misch­was­ser­ka­nä­len. Vor allem in den Innen­stadt­be­zir­ken wurden diese Kanäle verlegt, da sie weni­ger Platz verbrau­chen.

Die Kanäle haben heute Durch­mes­ser von 30 cm bis vier Meter. Vor allem die Regen- und Misch­was­ser­ka­näle müssen auch große Wasser­men­gen aufneh­men, wenn es mal tage­lang regnet. Um die Kanäle von Schlamm und abge­la­ger­ten Baustof­fen zu reini­gen, setzen die Wasser­werke fern­ge­steu­erte Geräte zum Durch­spü­len ein. Sie werden durch die Rohre gezo­gen und drücken den Schmutz bis zum nächs­ten Einstieg, wo er dann von außen abge­saugt wird. Bei den größe­ren Kanä­len stei­gen die Arbei­ter direkt hinun­ter. Mit Räum­ge­rä­ten und Spaten werden die Abla­ge­run­gen hier zusam­men­ge­scho­ben und eben­falls abge­pumpt.

Die Riesel­fel­der, die im Lauf der Jahr­zehnte immer größere Mengen von Abwäs­sern aufneh­men muss­ten, wurden nach und nach von den Klär­wer­ken entlas­tet und schließ­lich abge­löst. Etwa hundert Jahre nach Inbe­trieb­nahme der unter­ir­di­schen Kana­li­sa­tion wurden die letz­ten Riesel­fel­der still­ge­legt. Die Gelände wurden zur Hälfte aufge­fors­tet, heute befin­den sich dort Wälder, Parks oder Wiesen. Die Natur­schutz­ge­biete von Gatow oder auch der Bucher Forst befin­den sich heute auf ehema­li­gen Riesel­fel­dern. Aller­dings war eine Auffors­tung nicht über­all möglich, weil auf dem Boden aufgrund von Schad­stof­fen nichts mehr rich­tig wuchs. Heute stehen dort teil­weise Neubau­sied­lun­gen, z.B. Teile von Hohen­schön­hau­sen, Marzahn und Hellers­dorf.

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