Das Tabu

Es ist schon selt­sam. Da wird man in der Öffent­lich­keit mit fast jedem Thema konfron­tiert, das es gibt, man kann dem kaum entkom­men. “Ich hatte Sex mit meiner Mutter”, erfährt man nach­mit­tags im Fern­se­hen, oder “ich habe meine eigene Oma ausge­raubt”. Betrü­ger, Schlä­ger, Verge­wal­ti­ger dürfen ihre Geschich­ten öffent­lich präsen­tie­ren, wirk­li­che Tabus gibt es kaum noch. Merk­wür­di­ger­weise gibt es aber doch eines, und zwar ausge­rech­net etwas, das zum Leben jedes Menschen dazu­ge­hört: Den Tod. Er erscheint meist nur in Form von Krimis und Kriegs­fil­men, in den Nach­rich­ten oder wenn jemand im priva­ten Umkreis gestor­ben ist. Warum aber wird der Tod ansons­ten meist tabui­siert?

Sicher ist das Thema unan­ge­nehm, man will nicht daran denken, jeman­den zu verlie­ren oder selber ster­ben zu müssen. Irgend­wann passiert es sowieso, da muss man sich nicht schon vorher damit belas­ten.
Es kann aber auch eine Belas­tung sein, nicht darüber reden zu können. Als ich vor eini­gen Mona­ten Freun­den gegen­über ansprach, was nach meinem Tod orga­ni­siert werden sollte, musste ich erst minu­ten­lang versi­chern, dass es keinen akuten Anlass dafür gibt. Selbst danach war es kaum möglich, unbe­fan­gen darüber zu spre­chen und so sind manche Dinge bis heute nicht geklärt. Es ist eine psychi­sche Belas­tung, wenn dieses Tabu immer dazwi­schen­steht. Ein biss­chen ist es so wie der Teufel, den man nicht an die Wand malen darf. Allein das Thema anzu­spre­chen könnte bedeu­ten, es wahr zu machen. Zwar kenne ich die tatsäch­li­chen Zusam­men­hänge im Univer­sum nicht, aber ich denke nicht, dass man das Schick­sal dadurch beein­flusst, wenn man über den Tod spricht.
Es hat sicher viel mit Angst zu tun, dass es dieses Tabu gibt. Und auch, dass es im Alltag kaum vorkommt. Ich wünsche mir aber, dass man auch mal offen darüber spre­chen kann, ohne Scheu und schlech­tem Gefühl im Bauch. Ängste baut man immer noch am besten ab, indem man darüber redet, nicht indem man sie verdrängt. Und wenn man weiß, dass bestimmte Dinge gere­gelt sind, hat man selber auch eine große Sorge weni­ger. Selbst ohne konkre­ten Anlass.

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Moabiter Orte

Gefängnis Lehrter Straße

Mitten in der Lehr­ter Straße steht ein großes, abwei­sen­des Gebäude mit schmut­zi­ger Fassade und vergit­ter­ten Fens­tern. Die eins­tige Arrest-Anstalt des Mili­tärs war 1901 eröff­net worden. Sie diente später als zivi­les Frau­en­ge­fäng­nis und war auch teil­weise […]

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