Port Adelaide

Drit­tes Boot mit Flücht­lin­gen gelan­det

Schon wieder kam ein über­füll­tes Boot mit halb toten Flücht­lin­gen an. Viele sind unter­wegs vor Hunger oder durch Krank­hei­ten gestor­ben, die Über­le­ben­den sind ermat­tet und ausge­zehrt. Sie spre­chen die Spra­che nicht, finden sich nicht zurecht; aber sie wollen unter keinen Umstän­den zurück. Sie haben ihr gesam­tes Geld für die Über­fahrt ausge­ge­ben, und man fragt sich, wie das weiter­ge­hen soll und ob ihrer nun immer mehr kommen, die ihre fremd­ar­tige Kultur mitbrin­gen.

Unter dem Urgroß­va­ter des jetzi­gen Herr­schers war ihre Heimat ein Muster­land auf jenem rück­stän­di­gen Konti­nent, wo selbst­ge­fäl­lige, prunk­süch­tige Fürs­ten sich riesige Paläste bauten, während ihre Unter­ta­nen darb­ten. Ein Muster­land, in dem Flücht­linge unter dem Schutz des Königs aufge­nom­men wurden und wo die verschie­dens­ten Reli­gio­nen fried­lich neben­ei­nen­der ausge­übt wurden. Ein Staat, dessen Verwal­tungs­sys­tem bewun­dert wurde, dessen Beamte nicht korrupt waren und in dem die Zeitun­gen schrei­ben durf­ten, was sie woll­ten.

Nun aber verlas­sen alle paar Monate Massen von Menschen jenes Land, sobald sie ein Boot bezah­len können. Nur, weil der König dort sich in den Kopf gesetzt hat, Gottes­dienst­ord­nun­gen gleich­zu­schal­ten. Der Leser muss sich das so vorstel­len, als ob unsere junge Köni­gin Victo­ria sich als Ober­haupt unse­rer Angli­ka­ni­schen Kirche beru­fen fühlte, die Unter­schiede zwischen High Church und Low Church zu verbie­ten.

„Mag nicht gern davon hören, ist mir unan­ge­nehm. Uner­hört in einem Land, in welchem Reli­gi­ons- und Gewis­sens­frei­heit herrscht. Aber die Frei­heit ist nicht Zügel­lo­sig­keit, welche alle Ordnung aufhebt und allen Gehor­sam verwei­gert.“

So spricht er. Die meis­ten Sätze haben kein Subjekt, und man rätselt, ob er wohl geis­tig normal ist. Seine Höflinge und Offi­ziere haben diese abge­hackte Rede­weise inzwi­schen über­nom­men. „Reden hier alle so.“ Daran erkennt man, aus welchem Staat sie kommen. Wie viele andere Staa­ten es dort gibt, über­blickt niemand.

Was ist das für ein König, der stolz auf die Reli­gi­ons­frei­heit ist, dann aber als Ober­haupt der Kirche beschließt, welche Abfäl­li­gen er vertrei­ben muss? Haben die Kriege, die unlängst den ganzen Konti­nent über­zo­gen, nun auch dieses Muster­land verrückt gemacht?

Und was hätte wohl seine Frau dazu gesagt, die liebens­werte, von allen im Lande verehrte Köni­gin Luise? Aber die ist ja schon lange tot.

15 330 km. Um des Glau­bens willen

Aus: Suche nach der Mitte von Berlin

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