Versailles

890 km. Ein Kaiser von nichts

Bismarck kann man Durch­set­zungs­ver­mö­gen und Weit­blick nicht abspre­chen. Manch­mal war er so hitz­köp­fig wie Hein­rich VIII.; aber er hätte sich wohl kaum von Bildern verrückt machen lassen.

Er wollte aller­lei deut­sche Fürs­ten­tü­mer und freien Städte zusam­men­schmie­den zu einem Staat, und weil man mit Kaiser­rei­chen gute Erfah­run­gen gemacht hatte, sollte der ein Kaiser­reich werden. Bismarck war über­zeugt, dass dieses Reich bis in alle Zukunft vom jewei­li­gen preu­ßi­schen Minis­ter­prä­si­den­ten gelei­tet werden müsste, denn den Poli­ti­kern ande­rer Staa­ten traute er weni­ger zu als jeman­dem, der es in Preu­ßen bis zum Regie­rungs­chef gebracht hatte.

Ich muss zuge­ben, dass auch ich gewisse Länder im Kopf habe, deren Poli­ti­kern ich die Leitung der Euro­päi­schen Union weni­ger zutraue als ande­ren. Sagen darf man so etwas aber nicht; also empfiehlt sich so eine Konstruk­tion, wie Bismarck sie ausge­klü­gelt hatte.

Preu­ßen hatte inzwi­schen eine jahr­hun­der­te­alte Kultur der Preu­ßi­schen Tugen­den, zu denen Tole­ranz, Spar­sam­keit, Unbe­stech­lich­keit, Ordnungs­sinn und so weiter gehör­ten. Davon waren auch die aus dem Adel hervor­ge­gan­ge­nen hohen Staats­be­am­ten durch­drun­gen.

Darum wollte Bismarck, dass der preu­ßi­sche König auto­ma­tisch immer Kaiser des neuen Deut­schen Reiches sein sollte, aber ohne viel eigene Macht. Die Macht sollte der Reichs­kanz­ler haben, und das sollte immer auto­ma­tisch der preu­ßi­sche Minis­ter­prä­si­dent sein. Die heutige Arbeits­tei­lung zwischen Bundes­kanz­ler und Bundes­prä­si­dent wie auch die Bezeich­nung Kanz­ler gehen genau darauf zurück.

Der dama­lige König, Wilhelm I., wollte gar nicht Kaiser werden. Er stand bewusst in der Tradi­tion Preu­ßens, wo Könige und Volk sich aufein­an­der verlas­sen konn­ten und der Vati­kan kaum Einfluss hatte. Wilhelm hatte keine Lust, einen Sack wider­spens­ti­ger Flöhe zu hüten, von denen die meis­ten auch noch katho­lisch waren. Aber er ließ sich von Bismarck über­re­den. Man sagt, am Abend vor der Kaiser­pro­kla­ma­tion habe er geweint.

Die ande­ren deut­schen Fürs­ten woll­ten aber keinen Kaiser haben und schon gar nicht einen aus Preu­ßen. Und wenn über­haupt, dann keinen „Kaiser von Deutsch­land“, sondern höchs­tens einen „Deut­schen Kaiser“, damit deut­lich wurde, dass er keine Macht hatte. Wilhelm aber sagte: „Wenn schon, denn schon“ und bestand auf dem Titel Kaiser von Deutsch­land. Es kostete Bismarck viel Geld, die Fürs­ten davon zu über­zeu­gen, Wilhelm die Kaiser­würde anzu­bie­ten. Einen großen Teil dieses Geldes steckte dann der Bayri­sche König Ludwig II. in seine Schlös­ser. Das prunk­vollste davon ist Herren­chiem­see mit seinem Spie­gel­saal, der den von Versailles bei Weitem über­trifft. Die Bayern können dennoch bis heute Menschen aus Nord­deutsch­land nicht leiden und nennen sie „Saupreu­ßen“.

Da Herren­chiem­see und der Spie­gel­saal 1871 noch nicht geplant waren, insze­nierte Bismarck die Kaiser­pro­kla­ma­tion im Spie­gel­saal des echten Versailles. Damit sollte der euro­päi­sche Rang des neuen Kaisers deut­lich gemacht werden, und die Fran­zo­sen wurden nach dem gerade verlo­re­nen Krieg schön ernied­rigt. Sie soll­ten sich dafür später rächen mit dem Frie­dens­ver­trag von Versailles 1919. Da war Herren­chiem­see schon fertig; aber die Deut­schen muss­ten zur Unter­zeich­nung wieder nach Frank­reich reisen.

1871 war die Streit­frage um den Titel des Kaisers bis zum letz­ten Moment nicht geklärt. Der Zere­mo­nien­meis­ter behalf sich damit, „Hoch lebe Kaiser Wilhelm!“ zu rufen. Ein Kaiser nicht von Deutsch­land, nicht in Deutsch­land, nur ein Kaiser mit einem Vorna­men.

Das war der Anfang vom Ende Preu­ßens und eine Art Spie­gel­bild des Endes vom Anfang, auf den Tag genau 170 Jahre früher in Königs­berg. Aber zuerst zum Anfang vom Anfang, in die Zeit des Drei­ßig­jäh­ri­gen Krie­ges!

Aus: Suche nach der Mitte von Berlin

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