Liebe Genderinnen und Ganter

Genderin oder Ganter?

Der Früh­ling kommt und ich habe mir bei Ross­frau einen geschlechts­neu­tra­len Lippen­stift gekauft. Die Sonne scheint über den Hof und die ersten Früh­lings­blu­men sprie­ßen. Wir haben endlich eine neue Regie­rung und alles wird gut, auch für uns Frauen. Es gibt demnächst Kita­plätze für alle und keine Allein­er­zie­hende muss sich mehr bei der Tafel anstel­len. Das alles ist geschafft. Jetzt müssen wir nur noch die diskri­mi­nie­ren­den Sprach­re­ge­lun­gen ändern dann ist alles paletti. Denn wie sagte schon Rosa Luxen­burg, das Bewusst­sein bestimmt das Sein.

Deshalb löst jetzt Kris­tin Rose-Möhring, die seit 2001 Gleich­stel­lungs­be­auf­tragte des Bundes­fa­mi­li­en­mi­nis­te­ri­ums ist, die wirk­lich wich­ti­gen Probleme. Die deut­sche Natio­nal­hymne ist zu männ­lich. Deshalb hat sie sich an die Sprach­po­li­zei gewandt. Künf­tig soll Vater­land Heimat­land heißen und brüder­lich coura­giert. Aber da soll­ten wir schon konse­quent sein. Was ist mit all den ande­ren diskri­mi­nie­ren­den Worten, die wir gebrau­chen? Kann ich denn noch mit gutem Gewis­sen Mutter­spra­che sagen? Das sugge­riert doch ein völlig veral­te­tes Frau­en­bild, wo die Frauen noch haupt­säch­lich für die Babys zustän­dig waren und die Kinder die Spra­che von der Mutter gelernt haben. Das hat sich ja geän­dert. Und was ist mit all dem LBGT Vätern und Müttern, die darf frau ja auch nicht diskri­mi­nie­ren. Sollte es statt Mutter­spra­che demnächst nicht besser orgi­näre Erst­spra­che heißen?

Unsere Gesell­schaft ist ja lern­fä­hig, zu Flücht­lin­gen sagt frau ja inzwi­schen auch Geflüch­tete, diese Sprach­re­ge­lung hat sich schnell durch­ge­setzt. Seit­dem klappt es besser mit der Inte­gra­tion. Denn die Verklei­ne­rungs­form, das “ling” wurde als diskri­mi­nie­rend ange­se­hen, da es an Feig­ling oder Wüst­ling erin­nert. Geht es jetzt den Geflüch­te­ten besser? Und muss ich jetzt zum Schmet­ter­ling Geschmet­ter­ter sagen, damit der Zitro­nen­fal­ter nicht belei­digt ist? Darf ich zu Fränz­chen (fünf Jahre alt) noch “mein klei­ner Lieb­ling” sagen? Denn ich befürchte, wenn ich zu ihm “mein klei­ner Gelieb­ter” sage, steht gleich einer vom Jugend­amt vor der Tür und unter­stellt mir sonst etwas.

Aber es ist Früh­ling und die Sonne scheint und ich habe mein altes Früh­lings­ge­dicht hervor­ge­holt und finde, das kann ich ohne mit der Sprach­po­li­zei in Konflikt zu gera­ten noch einmal brin­gen. Es werden auch keine Frauen mit Blumen vergli­chen und auf Gender­ge­rech­tig­keit wird geach­tet.

Lau war heut die Früh­lings­nacht
Die Narzis­sen duften sacht
es singt im Gras der Schlän­ge­rich
oh Schlange du, wie lieb ich dich!

Es sagt die süße Nach­ti­gall
sei still, zum Nach­ti­gäl­ler
du gehst mir ganz schön auf den Keks
mit deinem ewigen Geträl­ler

Die Tulpe sagt zum Tuli­pan
was bin ich präch­tig, sieh mich an
Die Rübe sagt zum Rüber­ich:
Oh Rüber­ich, wie lüb ich dich

Der Amsler und der graue Star
Die sind seit Jahren schon ein Paar
dran sich die Dorf­be­woh­ner laben
weil sie dann was zum Trat­schen haben

Der Einfall und die Einfäl­lin
die strei­ten bis aufs Messer
es geht wie immer nur darum
wer ist heute besser

Der Schuss und seine Schlüs­ser­ein,
die möch­ten in den Früh­ling ziehn,
drum lassen sie das Dich­ten sein,
und gehen in den Sonnen­schein

Hanne­lore Mühlen­haupt
www.muehlenhaupt.de

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