Rasse oder nicht?

Derzeit wird in Deutsch­land über Rassis­mus disku­tiert. Anlass ist der Mord an einem schwar­zen Bürger in den USA, der aber beispiel­haft steht für einen weit verbrei­te­ten Rassis­mus dort. Aber auch bei uns ist laten­ter und offe­ner Rassis­mus an der Tages­ord­nung, betrof­fen sind nicht nur Schwarze, sondern auch Flücht­linge und Menschen aus Osteu­ropa wie Polen oder Ungarn.

Im Rahmen der gesell­schaft­li­chen Diskus­sion wurde ein Aspekt benannt, der bisher wenig beach­tet wurde: Im Grund­ge­setz der Bundes­re­pu­blik, Arti­kel 3, Absatz 3 steht der Satz: „Niemand darf wegen seines Geschlech­tes, seiner Abstam­mung, seiner Rasse, seiner Spra­che, seiner Heimat und Herkunft, seines Glau­bens, seiner reli­giö­sen oder poli­ti­schen Anschau­un­gen benach­tei­ligt oder bevor­zugt werden.“ Das in diesem Text vorkom­mende Wort „Rasse“ ist es, das manche stört. Von den Grünen/Bündnis 90 kommen Forde­run­gen, es durch andere Wort­kon­struk­tio­nen zu erset­zen. Die Begrün­dung ist nach­voll­zieh­bar: Rassen gibt es bei Tieren und Pflan­zen, nicht aber bei Menschen. Egal ob jemand eine schwarze, braune oder ocker­far­bene (angeb­lich „weiße“) Haut hat, handelt es sich doch nicht um Rassen.

Statt­des­sen waren es die Kolo­ni­al­her­ren und später die Natio­nal­so­zia­lis­ten, die den Begriff Rasse massiv genutzt haben. Die Nazis haben sich selber sogar als „Herren­rasse“ begrif­fen und Menschen mit z.B. jüdi­schem Hinter­grund als „minder­wer­tige Rasse“ bezeich­net.

Der Begriff wird auch nicht „neutral“ ange­wandt (was an sich schon schlimm genug wäre), sondern meist im Zusam­men­hang damit, bestimmte Bevöl­ke­rungs­schich­ten zu diskri­mi­nie­ren. „Rasse“ wird als Wertung genutzt, als wären bestimmte Teile der Menschen weni­ger wert als andere.

Vermut­lich genau aus diesem Grund ist das Wort auch im Grund­ge­setz gelan­det. Aber nicht, weil die Damen und Herren, die es entwor­fen haben, bestimmte Bevöl­ke­rungs­teile diskri­mi­nie­ren woll­ten. Der Grund lag viel­mehr darin, dass unter der Nazi­herr­schaft der Rasse­ge­dan­ken so eine große Rolle gespielt hat, dass er fest in den Köpfen vieler Deut­scher veran­kert wurde. Vor allem in Bezug auf die Juden, aber auch der Slawen oder soge­nann­ter Zigeu­ner. Im gesam­ten Grund­ge­setz ist ansons­ten an keiner ande­ren Stelle auf diese Erfah­rung einge­gan­gen worden, obwohl der Faschis­mus erst vier Jahre vorbei war. Inso­fern hat das Wort Rasse darin eine geschicht­lich nach­voll­zieh­bare Berech­ti­gung.

Übri­gens ist auch in der Allge­mei­nen Erklä­rung der Menschen­rechte von 1948, der Euro­päi­schen Menschen­rechts­kon­ven­tion von 1950 und in der EU-Grund­rechte-Charta von 2009 von „Rasse“ die Rede.

Ob man nun das Wort löscht oder ersetzt oder einfach in Anfüh­rungs­zei­chen setzt (was ich am besten fände, aber mich fragt ja niemand), ändert all das nichts am Grund­pro­blem des Rassis­mus: Kein einzi­ger Mensch in Deutsch­land wird von der eige­nen rassis­ti­schen Über­zeu­gung ablas­sen, nur weil im Grund­ge­setz der Begriff Rasse gestri­chen wird. Die Diskus­sion darüber ist müßig und in meinen Augen über­flüs­sig. Viel wich­ti­ger wäre es, den alltäg­li­chen Rassis­mus auf jeder Ebene zu bekämp­fen, egal ob auf staat­li­cher oder priva­ter.

Aber wenn wir schon über Wörter reden, dann muss im glei­chen Absatz auch die rein männ­li­che Form DRIN­GEND bekämpft werden! Denn es geht ja gar nicht, dass man nur aufgrund „seines Geschlech­tes…“ diskri­mi­niert wird, nicht wegen „ihres“…  ;-)

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