Vom Lehrter Bahnhof zum Hauptbahnhof

1879

Der Euro­pa­platz vor dem Haupt­bahn­hof ist heute einer der beleb­tes­ten Orte Moabits. Auch schon in der ersten Hälfte des vori­gen Jahr­hun­derts wusel­ten dort täglich viele tausend Menschen durch­ein­an­der. Zwischen­durch aber lag dieser Ort fast 30 Jahre lang still und einsam am Rande der halben Stadt.

Der Lehr­ter Bahn­hof

Lehr­ter Bahn­hof 1957

An der Stelle, an der heute einer der größ­ten Bahn­höfe Euro­pas steht, befand sich einst der Lehr­ter Bahn­hof. Auch er war ein mäch­ti­ges Gebäude, das seine Vorder­front zur Spree hin hatte, zum Washing­ton­platz. Seinen Namen trug er, weil hier die Züge der Lehr­ter Bahn nach Nieder­sach­sen verkehr­ten. Der Lehr­ter Bahn­hof war ab 1868 einer von acht Berli­ner Kopf­bahn­hö­fen, die im 19. Jahr­hun­dert gebaut wurden und immer außer­halb der Stadt­mauer ende­ten. Er wurde als Ersatz für den nahen Hambur­ger Bahn­hof errich­tet, der 1846 gebaut worden war, aber aufgrund der rasant wach­sen­den Stadt schnell zu klein wurde.

Zur Spree hin gab der Lehr­ter Bahn­hof mit einer hohen Fassade im Stil der italie­ni­schen Renais­sance an, inte­griert war ein verglas­ter Bogen, der Licht in die 188 Meter lange Bahn­hofs­halle ließ. Der Haupt­ein­gang befand sich an der östli­chen Seite zum Humboldt­ha­fen hin.

Im Zwei­ten Welt­krieg wurde der Lehr­ter Bahn­hof zwar beschä­digt, konnte aber seinen Betrieb nach weni­gen Mona­ten Unter­bre­chung wieder aufneh­men. 1951 wurde er dann für den Reise­ver­kehr geschlos­sen, nach­dem die DDR die Außen­gren­zen nach West-Berlin geschlos­sen hatte. Zwischen 1957 und 1959 ist der alte Fern­bahn­hof abge­ris­sen worden.

Der Lehr­ter Stadt­bahn­hof

Quer zum Lehr­ter Bahn­hof exis­tierte ab 1882 auch der Stadt­bahn­hof, der am nörd­li­chen Ende an der Inva­li­den­straße quer über die Fern­bahn­gleise des Lehr­ter Bahn­hofs errich­tet wurde. Die S‑Bahn fuhr damals auf der neu gebau­ten Stadt­bahn­trasse zwischen Char­lot­ten­burg und Fried­richs­hain eben auch durch Moabit und erhielt so einen Anschluss an den Lehr­ter Fern­bahn­hof.

Lehr­ter Stadt­bahn­hof 2002,
kurz vor dem Abriss

Nach Grün­dung der DDR war die Station ein Grenz­bahn­hof. Zwar fuhren die Züge noch unge­hin­dert weiter Rich­tung Osten, aller­dings gab es spezi­elle Laut­spre­cher­durch­sa­gen: Fahr­gäste, die lieber nicht in die Hände von ostdeut­schen Poli­zis­ten oder Geheim­dienst­ler gera­ten woll­ten, soll­ten den Zug verlas­sen.

Die Verbin­dung bestand selbst nach dem Mauer­bau weiter. Am Lehr­ter Bahn­hof wech­sel­ten die Zugfüh­rer, die dann noch eine Station bis zum Bahn­hof Fried­rich­straße weiter­fuh­ren. Dort endete die Stre­cke und die Züge fuhren wieder zurück nach West-Berlin. Der Bahn­hof Fried­rich­straße war während dieser Zeit eine Grenz­über­gangs­stelle. Der Bahn­steig Rich­tung Westen war von Rest des Bahn­hofs baulich abge­rie­gelt, DDR-Bürger konn­ten ihn nicht errei­chen.

Zu Mauer­zei­ten wurde der Lehr­ter Stadt­bahn­hof durch seine Grenz­lage kaum noch genutzt. Zur Inva­li­den­straße hin exis­tierte aber noch eine Halle der dama­li­gen Bundes­post. Sie diente als Paket­bahn­hof.

Mit dem Baube­ginn für den neuen Haupt­bahn­hof wurde der Lehr­ter Stadt­bahn­hof nach und nach abge­ris­sen.

Der Haupt­bahn­hof

Die oberen Gleise des 2006 eröff­ne­ten Haupt­bahn­hofs verlau­fen einige Meter weiter südlich von der alten Stadt­bahn­trasse. So konnte der Bahn­hof zeit­weise noch paral­lel zum laufen­den Bahn­be­trieb errich­tet werden. Anfangs war die Deut­sche Bahn noch auf die Forde­run­gen von Bürge­rIn­nen und Verei­nen einge­gan­gen, den Bahn­hof zumin­dest zusätz­lich noch „Lehr­ter Bahn­hof“ zu nennen. Doch irgend­wann wurde dieser Zusatz heim­lich gestri­chen. Heute ist der alte Name fast in Verges­sen­heit gera­ten.

Haupt­bahn­hof im Bau

Mitt­ler­weile ist der aus viel Stahl und Glas bestehende Haupt­bahn­hof ein wich­ti­ger Verkehrs­kno­ten­punkt, der jeden Monat von rund 10 Millio­nen Menschen genutzt wird. Das war nach seiner Eröff­nung noch anders. Er stand allein im Brach­land und war nur mit der Fern- und S‑Bahn erreich­bar. Wie in Berlin üblich verzö­gerte sich die Anbin­dung an andere Verkehrs­mit­tel. So erreichte die Stra­ßen­bahn nicht wie geplant im Jahr 2002 den Euro­pa­platz, sondern erst 2014. Und der U‑Bahn-Anschluss zur Linie U5 ist erst 2020 fertig­ge­stellt worden. Zuvor gab es seit 2009 nur eine kurze Stre­cke zum Bran­den­bur­ger Tor.

Der Haupt­bahn­hof ist ein Kreu­zungs­bahn­hof. Mit der Nord-Süd-Verbin­dung im Unter­grund, den Regional‑, S- und U‑Bahnen gibt es 14 Gleise. Dazu 54 Roll­trep­pen und 16 Aufzüge. Rund­herum wurde er mitt­ler­weile durch Neubau­ten einge­rahmt. Während die weite Fläche zur Spree hin gerne für Demons­tra­tio­nen oder kleine Märkte genutzt wird, ist der Ausgang Rich­tung Euro­pa­platz / Inva­li­den­straße zu jeder Zeit von Fußgän­ger­ge­wu­sel bestimmt. Hier fahren die Stra­ßen­bah­nen und Busse ab, hier geht es auch in die Wohn­vier­tel der Lehr­ter Straße und der Zille-Sied­lung. Nur sehr lang­sam kommt der Haupt­bahn­hof in Moabit an. Das liegt auch daran, dass es nur wenige Wohn­häu­ser in der unmit­tel­ba­ren Umge­bung gibt.

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