Singen und tanzen für Jesus

Sonn­tag­mit­tag, die verkehrs­be­ru­higte Moabi­ter Bandel­straße, nur selten kommt ein Auto vorbei. Etwas zurück­ver­setzt, mit einem klei­nen Park­platz davor, steht eine Nach­kriegs­kir­che. An der Fassade die Wörter “Christ Embassy”, die Christ­li­che Botschaft. Dass der Name doppel­deu­tig ist, dürfte beab­sich­tigt sein.
Gleich dane­ben stand vor dem Krieg ein Vergnü­gungs­ort, bis zu 10.000 Menschen feier­ten im Bier­gar­ten und in der großen Fest­halle. Daran erin­nert hier heute nichts mehr.

Dort wo heute die Kirche steht, wurde 1910 der Vorgän­ger­bau einge­weiht, die St. Lauren­tius-Kirche, eine Ausglie­de­rung der Paulus­kir­che in der Olden­bur­ger Straße. 1943 fiel sie einem alli­ier­ten Luft­an­griff zum Opfer, 1952 wurde die neue Lauren­tius-Kirche geweiht. Doch die Zeiten ändern sich, immer mehr christ­li­che Kirchen werden verkauft, und so wurde auch diese ab 2007 nicht mehr gebraucht. St. Lauren­tius fusio­nierte mit der Ansgar-Gemeinde und die Christ Embassy Church erwarb das Kirchen­ge­bäude. Die ursprüng­li­che Ausstat­tung wie Kanzel und Altar, Orgel und Tauf­be­cken befin­den sich heute in Gottes­häu­sern in Polen und Lett­land.

Ich gehe sonn­tags durch die Bandel­straße, das große Holz­tor an der Kirchen­front steht weit offen. Durch die dahin­ter befind­li­che Glas­tür sieht man manch­mal einen Gottes­dienst, so auch an diesem Tag. Der Blick geht durch den Kirchen­raum direkt auf eine Bühne, auf der sich ein Mann rhyth­misch bewegt. Von innen nähert sich ein klei­ner, schma­ler Mann in Anzug der Eingangs­tür, öffnet sie und fordert mich auf, einzu­tre­ten. Faszi­niert blicke ich auf einen Gottes­dienst, wie man ihn aus US-ameri­ka­ni­schen Filmen kennt: Vor allem schwarze Gläu­bige beten und tanzen zur Musik. Auch hier in der Moabi­ter Gemeinde sind es haupt­säch­lich Schwarze, jedoch keine Ameri­ka­ner, sondern Menschen aus Afrika. Alle sind sie fein geklei­det, mit meinen Pull­over falle sich sicher­lich nega­tiv auf. Doch kaum bin ich im Mittel­gang einige Meter nach vorn gegan­gen, werde ich gleich von mehre­ren Menschen in den Bank­rei­hen gebe­ten, sich neben sie zu setzen.

Alle Männer und Jungs tragen Anzüge, die Frauen und Mädchen sind bunt und opulent geklei­det. Offen­bar haben sie sich für ihren Gott extra fein gemacht. Den Predi­ger auf der Bühne verstehe ich nicht, er spricht auf Englisch, aber mehr­mals taucht das Wort “Jesus” auf. Immer wieder werden Passa­gen der Predigt von den Beten­den wieder­holt, teil­weise mit Lachen und Jubeln. Plötz­lich betritt eine Frau die Bühne, Musik setzt ein und fast alle stehen auf. Sie singen und tanzen gemein­sam, auch das kennt man in Deutsch­land eher aus Filmen. Ich spüre eine Gemein­schaft, die über das Reli­giöse hinaus­geht. Viel­leicht empfin­den die Gläu­bi­gen hier das anders als ich, trotz­dem ist es für mich ein sehr schö­nes Gefühl.

Dann spricht erneut ein Predi­ger, aller­dings nicht live, sondern von einem großen Bild­schirm. Es ist der Nige­ria­ner Chris Oyak­hi­lome, der die Christ Embassy Church 1987 gegrün­det hat. Sie ist bis heute haupt­säch­lich in mehre­ren afri­ka­ni­schen Ländern präsent, aber auch in eini­gen deut­schen Städ­ten. In Afrika und Asien setzt sie sich für den Bau von Schu­len ein, gibt verwais­ten Kindern ein Zuhause und verteilt Mahl­zei­ten — nach eige­nen Anga­ben rund 700 Millio­nen im Jahr. Ihr Ziel ist es, sie auf 1 Milli­arde zu erhö­hen.

Nach der Anspra­che von “Pastor Chris” singen und tanzen die Menschen wieder. Mit einem wohli­gen Gefühl muss ich die Kirche aus Zeit­grün­den wieder verlas­sen und freue mich, dass ich hier in Berlin an einem solchen Erleb­nis teil­ha­ben konnte. Beim Gehen lädt mich der Mann an der Tür ein, bald wieder­zu­kom­men.

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