Määäh, määäh!

Der Papst in Berlin. Die halbe Stadt spielt verrückt. Es gibt Dutzende von Stra­ßen­sper­run­gen, die Bewoh­ner rund um das Olym­pia­sta­dion dürfen ihre Fens­ter nicht öffnen, Protest­de­mos müssen weit weg statt­fin­den. Dass demo­kra­ti­sche Grund­rechte einge­schränkt werden, weil ein Kirchen­ober­haupt die Stadt besucht, ist schon schlimm genug. Skan­da­lös ist aber die Tatsa­che, dass der Berli­ner Senat den Papst­be­such mit 25 Millio­nen Euro finan­ziert.
Was hat Ratz­in­ger mit Berlin zu tun?

Es ist ja nicht so, dass die katho­li­sche Kirche zu wenig Geld auf dem Konto hätte. Wer einmal den Peters­dom von innen gese­hen hat, wird das viele Gold, den Prunk, die Verschwen­dung nie mehr verges­sen. Und der Vati­kan muss nicht mal sparen, dafür sorgt schon ein Vertrag aus dem Jahr 1803, nach dem die christ­li­chen Amts­kir­chen Jahr für Jahr mehr als 400 Millio­nen Euro Zuschüsse bekom­men. Seit Jahr­zehn­ten kürzen die deut­schen Regie­run­gen lieber die Sozi­al­leis­tun­gen für die eigene Bevöl­ke­rung, als dem Klerus sein nicht verdien­tes Geld zu strei­chen. Dabei wird gleich­zei­tig die Lüge von der Tren­nung von Staat und Kirche weiter­ver­brei­tet, nicht nur von den C‑Parteien. Diese Tren­nung exis­tiert in Wirk­lich­keit nicht, sie ist eine Kulisse, ein Potem­kin­sches Dorf.

Eine wirk­li­che Tren­nung würde bedeu­ten, dass die Reli­gion dort landet, wo sie hinge­hört: Ins Private. Wie kann es sein, dass Moslems, Juden, Hindus, Buddhis­ten und die vielen, die keiner Reli­gion ange­hö­ren, dass sie alle für den Papst und dessen Kirchen­staat mitzu­zah­len haben?
Wenn ich glaube, dann muss ich meine Kirche schon selber finan­zie­ren. Schließ­lich sind wir hier nicht im Iran oder in Saudi-Arabien, wo die Reli­gion Grund­lage des Staa­tes ist.
Leider sehen das offen­bar viele nicht, und die katho­li­sche Kirche verhöhnt sie dann noch: Sie bezeich­net ihre Gläu­bi­gen als Schafe — und genauso verhal­ten sich viele auch. Sie machen alles mit, was ihr Schä­fer sagt, sie trot­ten gehor­sam durch’s Leben, stel­len nichts in Frage, lassen sich regel­mä­ßig sche­ren und würden sicher auch frei­wil­lig auf die Schlacht­bank traben. Määäh.

Ich habe nichts gegen Gläu­bige, egal welcher Reli­gion sie ange­hö­ren. Jeder nach seiner Façon usw. Was ich aber nicht akzep­tiere ist die Bestre­bung, ande­ren Menschen den eige­nen Glau­ben aufzu­zwin­gen. Ob als Funda­men­ta­lis­ten oder unter bürger­li­chem Gewand, wie in unse­rem Staat: Reli­gion ist Privat­sa­che, der Staat hat sich da raus­zu­hal­ten. Und wenn ein Papst im Bundes­tag spre­chen darf, dann müssen das auch die Führer der ande­ren Reli­gio­nen dürfen, egal ob Juden, Moslems, Maois­ten oder Scien­to­logy.

Foto: Wiki erudito / Fabian Horst / CC BY-SA 4.0

print

Zufallstreffer

6 Kommentare

  1. Nur haben die meis­ten ande­ren Reli­gio­nen kein echtes Kirchen­ober­haupt.
    auf die schnelle fallen mir nur der Budhis­mus und die Ortho­do­xen aus dem ehema­li­gen Ostblock ein. Der rich­tige Name ist mir grad entfal­len.

  2. Ihre Behaup­tung, dass der Berli­ner Senat den Papst­be­such mit 25 Millio­nen Euro finan­ziert, ist schlicht­weg FALSCH!
    Rich­tig ist viel­mehr, dass der GESAMTE DEUTSCH­LAND­BE­SUCH des Paps­tes 25 Mio. Euro kosten soll, wovon 3,5 Mio. auf das Erzbis­tum Berlin entfal­len sollen. Das hört sich doch schon ganz anders an, nicht wahr?!
    Also: erst infor­mie­ren, dann meckern.

    Übri­gens, viele Staats­be­su­che gewis­ser ande­rer Perso­nen kosten Deutsch­land jeweils weit­aus mehr als 25 Mio., aber darüber spricht niemand ;-)

    Grüße, A. Friend

  3. @A. Friend
    Der soge­nannte “Staats­be­such” kostet insge­samt 100 Mio. Euro.
    Außer­dem ist es wohl lächer­lich, in diesem Fall über­haupt von einem Staats­be­such zu reden. Oder glau­ben Sie ernst­haft, es geht dabei um zwischen­staat­li­chen Bezie­hun­gen?

  4. Alleine die Sicher­heits­mass­nah­men sollen über 5o Mio. kosten. Von wegen 25 Mio. Wenn das ein Staats­be­such ist, frage ich mich: Sei wann dürfen Vorsit­zende aus Auto­ri­tä­ren Staa­ten im Bundes­tag spre­chen. Die sollen ihre Besu­che selber bezah­len. Für die Opfer der pädo­phi­len Über­griffe von den Katho­li­schen Tätern hat die Katho­li­sche Kirche gerade mal 2 Mio. übrig gehabt.

  5. @ 1 Erik
    “Der Patri­arch der Russisch-Ortho­do­xen Kirche”.

    Die Regie­rung vertei­digt die Einla­dung des Paps­tes mit dem Argu­ment, er sei ja gleich­zei­tig Staats­ober­haupt (Vati­kan­staat).

    Mit dieser Begrün­dung müsste man dann eigent­lich auch Ayatol­lah Ali Khamenei die Gele­gen­heit zu einer Rede im Bundes­tag geben, so dieser einen Staats­be­such abhal­ten würde. Der ist nämlich sowohl geis­ti­ges als auch poli­ti­sches Ober­haupt des Irans.
    Siehe de.wikipedia.org/wiki/Iran#Regierungssystem

Hier kannst Du kommentieren

Deine Mailadresse ist nicht offen sichtbar.


*