Sie sagen: “Wir trauern”

Heute habe ich ein Plakat gese­hen, frisch geklebt, von irgend­ei­ner Auto­no­men­gruppe: “Wir trau­ern um … , von den Bullen ermor­det.” Den Namen kenne ich nicht, der Hinter­grund ist mir auch nicht bekannt, ich glaube es ging dabei um einen Getö­te­ten in Grie­chen­land. Es ist auch das gute Recht, wenn jemand trau­ert, weil er einen Menschen verlo­ren hat, den er geliebt, gemocht oder wenigs­tens gekannt hat. Auch ich kenne dieses Gefühl, habe schon ein paar Freunde verlo­ren, durch Drogen, Alko­hol, Selbst­tö­tung. Einen durch Mord, Silvio, der damals zu meinem Umfeld gehörte und für den seit 20 Jahren immer im Novem­ber ein Gedenk­marsch durch Fried­richs­hain statt­fin­det.

Ich nehme nicht daran teil. Nicht, weil ich ihm nicht geden­ken will oder nicht an seinen Tod durch Neona­zis erin­nern möchte. Aber wenn ich diese Demons­tra­tio­nen sehe, dann kann ich nicht mehr trau­ern. Es sind immer die glei­chen Bilder. Leute, die von Trauer spre­chen, aber nur Aggres­si­vi­tät ausstrah­len. Sie schreien Paro­len, anstatt zu schwei­gen. Sie pöbeln Passan­ten und Poli­zis­ten an, und wissen dabei nicht, dass Silvio ein sehr ruhi­ger und zurück­hal­ten­der Mensch war. Aber es wäre ihnen wohl auch egal, denn sein Tod inter­es­siert sie in Wirk­lich­keit gar nicht. Sie funk­tio­na­li­sie­ren ihn, sie nutzen ihn als Waffe in ihrem Kampf gegen die Gesell­schaft. Der Tod von Silvio wird genauso benutzt wie der des Jungen in Genua, der in Grie­chen­land oder der erschos­se­nen Frau in Frank­furt im vergan­ge­nen Jahr.

Nein, sie trau­ern nicht. Sie akzep­tie­ren nicht mal die Trauer der Ange­hö­ri­gen und Freunde, die um Gewalt­frei­heit gebe­ten haben und um einen ruhi­gen Marsch.
Trauer ist das nicht. Es ist Hass. Sie soll­ten dieses Wort nicht nutzen, es ist unglaub­wür­dig. Und es schlägt auf dieje­ni­gen ein, die wirk­lich um den Menschen trau­ern.

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Hetzjagd auf Flüchtlinge

In der säch­si­schen Stadt Baut­zen kam es in der vergan­ge­nen Nacht zu einer Hetz­jagd gegen junge Flücht­linge. Mindes­tens 80 offen­sicht­lich Rechts­ra­di­kale grif­fen eine Gruppe von rund 20 jugend­li­chen Flücht­lin­gen an. Sie schrien dabei Paro­len, warfen […]

3 Kommentare

  1. Wie siehst du vor diesem Hinter­grund das jähr­li­che Geden­ken der LINKEN mit Demo für Karl Lieb­knecht und Rosa Luxem­burg?

    Da “trau­ert” wohl auch niemand wirk­lich, es ist eben­falls eine “poli­ti­sche Funk­tio­na­li­sie­rung”. Aber evtl. eine legi­time?

  2. Ich habe ja nichts dage­gen, dass Menschen gedacht werden, die einem nahe stan­den — egal ob persön­lich oder auch poli­tisch. Dass bei den Lieb­knecht-Luxem­burg-Demo jedoch wirk­lich Trauer im Spiel ist, glaube ich kaum.

  3. Mir gings mehr um die Legi­ti­mi­tät der poli­ti­schen Funk­tio­na­li­sie­rung, die ja durch­aus eine Diskus­sion wert ist.

    In aller Regel wird mittels “kämp­fe­ri­scher Demos und Gedenk-Events” jener Menschen gedacht, die im selben poli­ti­schen Kampf umge­kom­men sind. Die es also vermut­lich begrü­ßen würden, wenn sie post­hum noch eine agita­to­ri­sche Funk­tion für “die Bewe­gung” haben.

    Private Trauer ist was ande­res, klar.

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