Etwas Verruchtes

Die vier Fahr­gäste kamen aus einem Edel-Restau­rant am Gendar­men­markt. Tiefs­tes Bayrisch quälte meine Ohren, Schnurr­bärte, merk­wür­dige Kopf­be­de­ckun­gen, eigent­lich fehl­ten nur noch die Seppl-Hosen. Die Gesprä­che bei solchen Fahr­gäs­ten drehen sich fast immer um Geschäfte (nach­mit­tags) oder um Frauen (abends und nachts). Beides meist auf recht nied­ri­gem Niveau, manche Sprü­che würden gar einen Raus­schmiss der Leute recht­fer­ti­gen. Aber ich bin ja hart im Nehmen, als Taxi­fah­rer darf man nicht zu empfind­lich sein.

Dies­mal war es schon heftig, Türken, der schwule Bürger­meis­ter, die dreckige Stadt waren abge­hakt, nun ging es um “die Weiber”. Wie ein Haufen Puber­tie­ren­der benah­men sie sich und ich war froh, als ich endlich den drit­ten von ihnen an seinem Hotel abge­setzt hatte. Der letzte Fahr­gast druckste nun etwas herum, als ich ihn nach seinem Ziel fragte. In sein Hotel wollte er nicht, viel­leicht aber noch “etwas erle­ben”. Das heißt norma­ler­weise, er möchte in ein Bordell, zumal er noch hinter­her schob: “Irgend ein netter Club viel­leicht.”
“Was denn für ein Club, Musik oder Frauen?” Diese Frage ist wich­tig, denn es wäre schon pein­lich, jeman­den zum Nacht­club zu brin­gen, der eigent­lich nur Live-Jazz hören will.
Seine Antwort war nicht wirk­lich hilf­reich: “Eigent­lich beides nicht so rich­tig.”
Ich kenne es ja, dass manche Männer zu feige sind, Klar­text zu reden. Aber seine Antwort machte mich schon etwas ratlos, irgend einen Hinweis brau­che ich schließ­lich schon.

“Ich würde gern mal etwas Verruch­tes probie­ren, wenn Sie verste­hen.”
“Es tut mir leid, aber wenn Sie es nicht genauer sagen, weiß ich auch nicht, wo ich Sie hinbrin­gen kann.”
Der Mann antwor­tete nun gar nicht mehr und fast hätte ich ihn gefragt, ob er noch lebt. Das konnte ich mir aber gerade noch so verknei­fen.
Wir stan­den nun schon zwei Minu­ten da, das Taxa­me­ter war bereits auf Zeit­zäh­lung umge­sprun­gen, da kam es vom Rück­sitz ganz leise: “Gibt es auch Clubs für Männer? Also ohne Frauen?”
Ich hatte es schon geahnt.

“Schwu­len-Clubs? Klar gibt es die.”
“Nein, nein, keine Schwu­len. Für ganz normale Männer, aber schon zum Spaß haben…”
“Meinen Sie eine Kneipe oder mit Sex?”
“Ja, schon mit Sex.”
“Also einen Sexclub, aber ohne Frauen, nur mit Männern, aber keine Schwu­len?”
“Ja.”
Der Kerl machte mich fertig.
“Nein, das kenne ich nicht. Einen Club, in dem Hete­ro­män­ner nur Sex mit ande­ren Hete­ro­män­nern haben, gibt es bestimmt nicht. Möglich wäre viel­leicht noch ein Swin­ger­club, aber da kommen Sie nur mit Beglei­tung rein.”
“Was kann man denn da machen?”
“Ich fahre Sie jetzt nach Schö­ne­berg, da haben Sie einige Auswahl.”
Er war sehr dank­bar, und als ich ihn dann an der Bar Hafen ablie­ferte, gab ich ihm noch ein paar Tipps, wo er noch hinge­hen könnte. Meine Verab­schie­dung “Außer­dem sollte man zu sich selber stehen!” igno­rierte er.

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7 Kommentare

  1. Trau­rig.
    Wie einfach das Leben für ihn wohl wäre, wenn er sich einge­ste­hen könnte, schwul zu sein. Schätze mal, “verruchte” Clubs hätte er nicht mehr nötig.

  2. »Also einen Sexclub, aber ohne Frauen, nur mit Männern, aber keine Schwu­len?«
    Cooler Club. Wenn es den dann noch ohne Sex gibt…
    @Petra
    Nee, eher bei 1860 München. ;-D

  3. Naja, kommt hoffent­lich noch, also dass er zu sich selbst steht. Man sollte aber auch beden­ken, das in Deutsch­land nicht alle Städte und Regio­nen so offen bei diesem Thema sind, wie Berlin es ist.

  4. Ich muss dazu sagen, dass ich wenig Verständ­nis dafür habe, wenn sich jemand so lange (er ist mindes­tens 50) versteckt. Klar, es ist seine Privat­sa­che, ob er sich outet, aber letzt­end­lich tut er damit weder sich noch den ande­ren einen Gefal­len.

    Jeden­falls sollte man dann nicht auch noch den Hete­ro­ma­cker schie­ben, das ist nur wider­lich (egal ob schwul oder nicht).

    @ Klaus
    Der FCB hat eindeu­tig die hübsche­ren Spie­ler. Also auch die schwu­le­ren!
    ;-)

  5. @Aro: Einer­seits rich­tig, ande­rer­seits kann solches Gespött der eige­nen Peer-Group, gerade auf dem “Baye­ri­schen Niveau” (falls man da von Niveau reden kann, ohne an Hand­creme — oder besser Seife zum Mund ausspü­len — zu denken), ganz schön schmerz­haft sein. Wenn dann noch Sach­zwänge dazu kommen, wie eine Fami­lie, die er sich fälsch­li­cher­weise zuge­legt hat, und in der er den Hetero spielt, dann ist es nicht leicht, da den Ausstieg zu finden. Ich habe neulich die Geschichte von genau so jeman­dem gehört (auch in Bayern, bzw. genauer gesagt Fran­ken), und der hatte sein Leben lang deshalb regel­mä­ßige Migrä­ne­an­fälle, war jede Woche 1–2 Tage außer Gefecht. Erst, als dann das Renten­al­ter erreicht war, hat er es geschafft, das zu sein, was er wirk­lich ist.

    Ich kann zwar nichts aus eige­ner Erfah­rung spre­chen (außer, was das Gespött der Peer-Group angeht, wenn auch aus ande­ren Grün­den), aber ich kann mir sehr wohl vorstel­len, dass es für manche alles andere als leicht ist, da den Ausstieg zu finden.

    @Inga: Gerade in (katho­li­schen) Mönchs­klos­tern gibt es aber eine ganz schön verdammt große Menge schwu­ler Hete­ros. Wobei, solange sie bei der Part­ner­wahl über dem Schutz­al­ter blei­ben, ist das ja OK.

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