Für’n Zehner zum Berghain?

Anders als in ande­ren Groß­städ­ten ist am Berli­ner Haupt­bahn­hof morgens um halb Zwei nichts mehr los. Entspre­chend wenig Taxen stehen dann dort, ich war mit meiner an vier­ter und letz­ter Stelle. Schon als ich ankam, sah ich einen Haufen von Jugend­li­chen am ersten Wagen stehen und mit dem Fahrer disku­tie­ren. Irgend­wann stie­gen ein paar ein und der Kollege fuhr weg. Die andern verteil­ten sich auf den 2. und 3. Wagen. Kurze Diskus­sion, einstei­gen, wegfah­ren. Die letz­ten Vier  kamen zu mir, stie­gen ein und sagten: “Für’n Zehner zum Berg­hain.”
Dass zwei von ihnen offene Bier­fla­schen in der Hand hiel­ten, war mir egal. Aller­dings fand ich es ziem­lich dreist, dass sie es offen­bar als normal betrach­ten, dem Taxi­fah­rer den Fahr­preis zu diktie­ren
“So läuft das nicht”, antwor­tete ich ruhig. “Zum Berg­hain kostet es mehr, mindes­tens 15 Euro.”
“Wieso denn? Die ande­ren fahren auch alle für zehn.”
“Mag ja sein, das ist dann aber ohne Taxa­me­ter, also ille­gal.”
“Das ist doch egal.”
“Nein.”
Schimp­fend stie­gen sie wieder aus, gingen zur Straße und stopp­ten dort ein Taxi, das sie auch mitnahm.

Natür­lich ist es ille­gal, “pauschal” zu fahren und in den vergan­ge­nen Jahren habe ich das auch nicht gemacht, selbst wenn ich dadurch mehr in der Tasche gehabt hätte. Aller­dings hat sich meine Einstel­lung dazu mitt­ler­weile geän­dert. Die Gebühr für die Hälfte meiner vermit­tel­ten Aufträge muss ich aus eige­ner Tasche zahlen. Ebenso die Auto­wä­sche, was eben­falls Sache des Unter­neh­mers wäre. Da kommen im Monat rund 40 bis 50 Euro zusam­men. Und so sinkt die Loya­li­tät der Ange­stell­ten zum Chef eben stück­chen­weise, auch wenn ich das eigent­lich gar nicht will.

Dass ich die Jungs nicht für zehn Euro zum Berg­hain gefah­ren habe, lag also nicht an dem Verbot, sondern an deren arro­gan­ten Auftre­ten. Außer­dem war ich einfach zu müde, um mich noch für solch stres­si­gen Fahr­gäs­ten belas­ten zu wollen. Statt­des­sen brachte ich kurz darauf den müden Eisen­bah­ner nach Lich­ten­berg — für 20 Euro.

print

Zufallstreffer

Weblog

Harry Potter 6

Ja, ich weiß, ich bin damit erstens zu spät und zwei­tens inter­es­siert das sowieso nieman­den. Egal, ich begleite Harry Potter seit dem ersten Buch und deshalb schreibe ich trotz­dem was über den sechs­ten Film, “Harry […]

5 Kommentare

  1. Es betrübt mich, Dich so argu­men­tie­ren zu hören. Denk über einen Wech­sel nach, es soll ja noch ein paar gute Arbeit­ge­ber da draus­sen geben.
    Du gehörst doch zu den Menschen, die wissen, was sie wollen und was sie erwar­ten können — was hält Dich dort, wenn dich die Geschichte so nervt?
    Es ist nur Lohn­ar­beit und wir haben besse­res zu tun, als uns dadurch unsere Laune vermie­sen zu lassen!

  2. Ja, Du hast schon recht. Er ist ja auch nicht mein erster Taxi-Chef. Ande­rer­seits bin ich ein eher treuer Mensch, und brau­che eine ganze Weile, bis ich die Konse­quenz ziehe. Ich habe ja keine Angst davor, die Alter­na­ti­ven sind ja zahl­reich. Bisher halten sich die Vor- und Nach­teile auch die Waage. Aber ich nehme an, dass es nicht so bleibt.

  3. Kann ich verste­hen, bin da im Grunde genauso drauf. Ich wollte auch nur sagen: Verpass den Absprung nicht!

    Ich hantiere wie Du auch mit Vor- und Nach­tei­len. Das halte ich auch für das beste und fairste für alle Seiten. Und ich wünsch Dir, dass dein Chef die Kurve kriegt und die Zeichen der Zeit erkennt. Ganz ehrlich. Kein Chef ist perfekt — und das ist auch der Grund, weswe­gen ich hier nicht Werbung für meine machen will — so sehr ich sie mag und so gerne ich dort bin.
    Wir haben alle andere Wünsche, Bedin­gun­gen und Vorstel­lun­gen. Die eier­le­gende Woll­milch­sau gibt es eben selbst im Taxi­ge­werbe nicht.
    Ich wünsche Dir deswe­gen einfach, dass es für Dich gut läuft. Ob bei deinem jetz­ti­gen Chef oder einem ande­ren, völlig egal! Denn wir machen den Job letzt­lich nicht für den Chef

  4. Guter Chef hin oder her, das wäre mir in solchem Fall voll­kom­men egal! Und zwar deswe­gen, weil ich mich in solchen Situa­tio­nen persön­lich belei­digt sehen würde! Für mich über­setzt sich der Spruch “Für’n Zehner zum Berg­hain” folgen­der­ma­ßen: “Eh Kunde, düse uns mal schnell rüber zum Berg­hain! Und wenn de dann 10 Eulen krist, mußte ooch zufrie­den sein! Du krist ja sonst nüscht auf die Reihe, du Depp!”
    Solchen Leuten kann man nur raten: “Laufen macht ´nen schlan­ken Fuß!”

Hier kannst Du kommentieren

Deine Mailadresse ist nicht offen sichtbar.


*