Geschichtspark Moabit

Vor zehn Jahren, am 26. Okto­ber 2006, wurde gegen­über des neuen Haupt­bahn­hofs der Geschichts­park “Ehema­li­ges Zellen­ge­fäng­nis Moabit” eröff­net. Nach drei Jahren Bauzeit entstand aus der eins­ti­gen Lager­stätte des Tief­bau­amts ein Gedenk­ort, der vor allem aus der eins­ti­gen Gefäng­nis­mauer besteht. Im Inne­ren sind alle Gebäude, also das eins­tige Gefäng­nis, verschwun­den, abge­ris­sen 1958, nach­dem die Alli­ier­ten das Gefäng­nis noch zehn Jahre genutzt hatten.

Das Zellen­ge­fäng­nis Lehr­ter Straße war als eines der berüch­tigs­ten Knäste Berlins bekannt. Doch seine schlimmste Zeit hatte es nicht in den ersten hundert Jahren (Bauzeit 1842–1849), sondern während der Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus. Anfangs galt es nämlich noch als Muster­ge­fäng­nis für Preu­ßen: Nach einer von Fried­rich Wilhelm IV., König von Preu­ßen einge­lei­te­ten Gefäng­nis­re­form soll­ten die Gefan­ge­nen nicht länger in Gemein­schafts­zel­len, sondern isoliert in ca. 520 Einzel­zel­len unter­ge­bracht werden. Einer der bekann­tes­ten Insas­sen war Wilhelm Voigt, der eins­tige “Haupt­mann von Köpe­nick”. Nach der Macht­über­nahme der Faschis­ten wandelte sich das Gefäng­nis zum Symbol für poli­ti­sche Unter­drü­ckung, Folter und Mord. Zahl­rei­che System­geg­ner wurden dort inhaf­tiert, u.a. Wolf­gang Borchert, Ernst Busch und Alfred Haus­ho­fer, der hier seine “Moabi­ter Sonet­ten” verfasste. Wenige Tage vor der Befrei­ung vom NS-System wurde er mit ande­ren Nazi­geg­nern nachts vom Gefäng­nis zum nahen Ausstel­lungs­ge­lände ULAP gebracht und dort erschos­sen.

Im Geschichts­park werden die Ausmaße des Baus durch Stein­rei­hen gekenn­zeich­net, auch die Form und Größe der Höfe sind nach­voll­zieh­bar. Eine Zelle wird in ihrer ursprüng­li­chen Größe durch Beton­wände nach­ge­bil­det. Wer sie betritt star­tet ein akus­ti­sches Feature, mit einem Beitrag über Haus­ho­fer und die Haft in diesem Gefäng­nis.

Das Gelände ist nach außen abge­schlos­sen, zu drei Seiten steht die alte Gefäng­nis­mauer, teil­weise saniert. Und obwohl der Haupt­bahn­hof mit der lauten Inva­li­den­straße dazwi­schen nur 200 Meter entfernt ist, ist es im Geschichts­park selt­sam ruhig, jeden­falls gefühlt.
Merk­wür­dig auch, dass sich im stark bewach­se­nen Teil eine Klet­ter­wand befin­det, die irgend­wie deplat­ziert wirkt.
Die meis­ten Menschen, die man im Gedenk­ort sieht, sind auch gar keine Besu­cher. Sie nutzen ihn nur zum durch­que­ren, wenn sie aus der Lehr­ter Straße zum Bahn­hof wollen.
Infor­ma­ti­ons­ta­feln zum Geschichts­park finden sich am Eingang in der Inva­li­den­straße. Sie klären auf Deutsch und Englisch über die Geschichte dieses Ortes auf.


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1 Kommentar

  1. Zu (fast) jeder Zeit waren in diesem Gefäng­nis poli­ti­sche Gefan­gene inhaf­tiert, sogar schon vor der Fertig­stel­lung über 250 polni­sche Frei­heit­kämp­fer — und das mit der sog. preu­ßi­schen Gefäng­nis­re­form hätte man zu späte­rer Zeit Isola­ti­ons­haft genannt.

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