Der Tod von Kemal Altun

Am 12. Septem­ber 1980 putschte das Mili­tär in der Türkei und verhaf­tete in der Folge Tausende von Regime­kri­ti­kern. Auch enge Freunde des damals 20-jähri­gen Cemal Kemal Altun wurden fest­ge­nom­men, gefol­tert oder ermor­det. Darauf­hin floh er über mehrere Länder zu seiner Schwes­ter nach West-Berlin. Hier bean­tragte er poli­ti­sches Asyl, weil er befürch­tete, in der Türkei eben­falls verfolgt und gefol­tert zu werden. Dort war er als linker Schü­ler bereits zusam­men­ge­schla­gen worden, dies­mal aber drohte ihm Schlim­me­res.
Doch statt Asyl kam er im Juli 1982 in Auslie­fe­rungs­haft, am 21. Februar 1983 bewil­ligte die Bundes­re­gie­rung die Auslie­fe­rung Cemal Altuns an die Mili­tär­dik­ta­tur Türkei.

In Deutsch­land, aber auch in ande­ren euro­päi­schen Staa­ten, wurde eine Welle der Soli­da­ri­tät ausge­löst. Trotz­dem beharrte die Bundes­re­gie­rung auf der Abschie­bung Altuns. Am 30. August 1983 fand im Ober­ver­wal­tungs­ge­richt in Char­lot­ten­burg ein Verfah­ren statt zur Klärung der Frage, ob Altun der türki­schen Mili­tär­re­gie­rung ausge­lie­fert werden könne. Aus Panik vor der Abschie­bung in die Türkei rannte Kemal Altun zum offen stehen­den Fens­ter und stürzte sich aus der 6. Etage in den Tod.

Die Verzweif­lungs­tat des jungen Mannes war der erste bekannt gewor­dene Fall eines Flücht­lings, der in der Bundes­re­pu­blik Suizid aus Furcht vor der Abschie­bung beging. Am Trau­er­marsch zu seiner Beer­di­gung in Berlin nahmen mehr als 1.000 Menschen teil.
Der Tod Altuns hatte durch das breite Aufse­hen, das er erregte, länger­fris­tige Auswir­kun­gen auf die bundes­weite Flücht­lings­ar­beit, die unter ande­rem zur Grün­dung der Orga­ni­sa­tion Pro Asyl führ­ten. Die Grün­dung von Asyl in der Kirche in Berlin geht unmit­tel­bar auf eine initia­tive Zusam­men­ar­beit eines Unter­stüt­zungs­ko­mi­tees für die Frei­las­sung Cemal Kemal Altuns zurück.

Schon vor dem Tod Altuns hatte sich der Lieder­ma­cher Wolf Bier­mann für ihn einge­setzt, später schrieb er eine Ballade über ihn. Auch andere Künst­ler bezo­gen sich mit Werken auf Altuns Tod. In Hamburg und Kassel wurden Plätze nach ihm benannt. Gegen­über des Gerichts in der Harden­berg­straße ist 1996 das Cemal-Kemal-Altun-Mahn­mal einge­weiht worden.
Und ist es Ironie, Verach­tung oder Häme? Sechs Monate nach seinem Tod wurde Kemal Altun doch noch Asyl gewährt.

Foto: OTFW / CC BY-SA 3.0

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