Unklar

Der Mann wurde wegen neun­fa­chem Mord verur­teilt, 26 Jahre lang saß er deshalb im Gefäng­nis, um nun Anfang Januar 2009 auf Bewäh­rung entlas­sen zu werden. Chris­tian Klar war Mitglied der “zwei­ten Gene­ra­tion” der Roten Armee Frak­tion, also der Orga­ni­sa­tion, die für die Mord­an­schläge 1977 und den Deut­schen Herbst verant­wort­lich war. Eigent­lich wurde er zu lebens­lan­ger Haft verur­teilt, was in Deutsch­land meist bedeu­tet, dass man nach 20 Jahren entlas­sen wird. Doch bei den Gefan­ge­nen aus der RAF war man da weni­ger groß­zü­gig, noch immer ist die Wunde zu spüren, die der Terror geris­sen hat. Deshalb hat das zustän­dige Ober­lan­des­ge­richt Stutt­gart 1998 auch beschlos­sen, dass Klar frühes­tens nach 26 Jahren entlas­sen werden darf. Dasselbe Gericht entschied nun, dass er in sechs Wochen frei kommt, zusätz­lich aber noch 5 Jahre Bewäh­rungs­frist erhält. Sollte er sich also erneut einer terro­ris­ti­schen Gruppe anschlie­ßen, muss er wieder in den Knast.

Bei Thema RAF und die Gefan­ge­nen gehen die Meinun­gen sehr weit ausein­an­der. Vor allem bei denen, die die “heiße” Zeit selber miter­lebt haben oder gar in irgend­ei­ner Form betei­ligt waren. Dazu gehö­ren natür­lich die Hinter­blie­be­nen der Opfer, von denen sich heute einige sehr verbit­tert und entrüs­tet über die geplante Frei­las­sung äußer­ten. Ihre Empö­rung ist verständ­lich, immer­hin haben sie damals ihren Ehemann, Vater oder Bruder verlo­ren. Doch bei allem Verständ­nis darf man die Recht­staat­lich­keit nicht verges­sen. Und die bedeu­tet, dass auch ein Verur­teil­ter irgend­wann die Chance auf einen neuen Anfang bekom­men kann, voraus­ge­setzt, dass von ihm keine Gefahr mehr ausgeht. Mehrere Gutach­ter haben bestä­tigt, dass sie Chris­tain Klar als nicht mehr gefähr­lich einstu­fen. Kriti­ker halten dage­gen, dass er sich für seine Taten nicht entschul­digt hat. Das mag ein mora­li­sches Argu­ment sein — ein juris­ti­sches ist es jedoch nicht. Reue ist keine Voraus­set­zung für eine Ausset­zung der Strafe zur Bewäh­rung. Daher ist es auch unver­ständ­lich, dass selbst Minis­ter sich über die geplante Frei­las­sung aufre­gen. Wenn z.B. der bayri­sche Innen­mi­nis­ter Joachim Herr­mann wettert, dass man mit Chris­tian Klar kein Mitleid haben dürfe, spricht das nicht für ein ausge­präg­tes recht­staat­li­ches Bewusst­sein. Oder ist Herr­mann der Meinung, bei bestimm­ten Perso­nen wäre die Rechts­ord­nung außer Kraft zu setzen? So eine Einstel­lung hat vor ein paar Jahren zu Guan­ta­namo geführt und vor 30 Jahren zu Raster­fahn­dung, Poli­zei­staat­me­tho­den und im Krisen­stab sogar zum Vorschlag, RAF-Gefan­gene zu foltern und zu erschie­ßen.
Es stünde führen­den Poli­ti­kern gut zu Gesicht, die Entschei­dung eines Ober­lan­des­ge­richts zu akzep­tie­ren und nicht aus popu­lis­ti­schen Grün­den die “Rübe-ab”-Mentalität zu fördern. Weder brau­chen wir einen poli­ti­schen Terro­ris­mus, noch eine poli­ti­sche Justiz.

print

Zufallstreffer

Weblog

Merkwürdiger Freiheitsjubel

Wie jedes Jahr finden auch an diesem 9. Novem­ber wieder die Feste zum Mauer­fall statt. In allen Medien wird daran erin­nert, Sonder­sen­dun­gen, Schlag­zei­len und irgend­wel­che Kurio­si­tä­ten werden hervor­ge­kramt. Gleich­zei­tig wird ein Bild gezeich­net, das sich […]

2 Kommentare

  1. Da muss man noch hinzu­fü­gen, daß die RAF immer den Status der Kriegs­ge­fan­gen­schaft gefor­dert hat und nach der Genfer Konven­tion behan­delt werden wollte. Das wurde vom Staat abgwie­sen und klar gesagt, daß es normale Krimi­nelle wären. Normale Krimi­nelle werden norma­ler­weise bei Lebens­läng­lich nach 15 Jahren Haft entlas­sen.

  2. “Normale Krimi­nelle werden norma­ler­weise bei Lebens­läng­lich nach 15 Jahren Haft entlas­sen.”
    Ganz so stimmt das auch nicht. Sie werden frühes­tens nach 15 Jahren entlas­sen, der Durch­schnitt liegt ca. bei 18 Jahren, und in aller Regel sind das ja Taten mit nur einem Opfer. Wenn jemand aber wegen neun­fa­chen Mordes verur­teilt wurde, dann sind 26 Jahre Verbü­ßungs­dauer in der Rela­tion auch nicht über­mä­ßig viel.

    “Kriti­ker halten dage­gen, dass er sich für seine Taten nicht entschul­digt hat. Das mag ein mora­li­sches Argu­ment sein – ein juris­ti­sches ist es jedoch nicht.”
    Natür­lich ist auch das Nach­t­at­ver­hal­ten in die Entschei­dung mitein­zu­be­zie­hen.

    “Wenn z.B. der bayri­sche Innen­mi­nis­ter Joachim Herr­mann wettert, dass man mit Chris­tian Klar kein Mitleid haben dürfe, spricht das nicht für ein ausge­präg­tes recht­staat­li­ches Bewusst­sein.”
    Es geht hier ja auch nicht um Mitleid, das hat eher bei einer Begna­di­gungs­ent­schei­dung seinen Platz. Das war ein rechts­staat­li­ches Verfah­ren, das weder Mitleid noch Rache kennen sollte.

    Insge­samt hat das OLG nun kein offen­sicht­lich untrag­ba­res Urteil gespro­chen. Ob die 26 Jahre nun eher zu kurz oder eher zu lang waren, können die damit beschäf­tig­ten Rich­ter wohl eher beant­wor­ten als die zahl­rei­chen Poli­ti­ker und Jour­na­lis­ten, die sich bisher dazu zu Wort gemel­det haben.

Hier kannst Du kommentieren

Deine Mailadresse ist nicht offen sichtbar.


*