Hansa-Theater

1888 erhielt die Berli­ner Kronen-Braue­rei einen Bauschein für ein Saal­ge­bäude mit 424 Sitz­plät­zen und 1.364 Steh­plät­zen. Da zu dieser Zeit die Kombi­na­tion von Braue­rei­an­la­gen mit “Einrich­tun­gen, die dem Bier­kon­sum dien­ten” üblich waren, wurde dieser Fest­saal sowohl für gesel­lige als auch für poli­ti­sche Veran­stal­tun­gen genutzt, bis er kurze Zeit später, 1889, als Stadt­thea­ter Moabit dekla­riert wurde.
Der Fest­saal der Kronen­braue­rei, aus dem später das Hansa-Thea­ter entsteht, hat eine künst­le­ri­sche Exis­tenz abseits der haupt­städ­ti­schen Thea­ter­kri­tik. 1914 schreibt ein Zeit­ge­nosse: “Das Publi­kum fühlt sich behag­lich, verzehrt sein mitge­brach­tes Abend­brot während der Pausen, wozu Kell­ner Bier reichen. Bieten diese Thea­ter auch dem verwöhn­te­ren Geschmack keine künst­le­ri­schen Eindrü­cke, so sind sie inter­es­san­ter für das Studium gewis­ser Volks­kreise. Es fällt ange­nehm auf, dass in diesen Thea­tern der Ton zwar ein derber ist und die Dinge häufig bei einem sehr deut­li­chen Namen genannt werden, dass aber die Zote ausge­schal­tet ist.” Neben Possen, Schwän­ken, Burles­ken und sogar Sing­spie­len und Operet­ten fanden Stücke zeit­ge­nös­si­scher Autoren den Weg auf die Bühne.

Als der Film popu­lär wurde, folgte man diesem Boom und baute 1923 das Thea­ter zum Film­pa­last Hansa mit 800 Plät­zen um. Dass das Kino nach dem Nieder­gang des Films vor dem Dasein eines Super­mark­tes bewahrt wurde, ist der Initia­tive eines Mannes zu verdan­ken: Paul Esser, der 1963 ohne finan­zi­elle Unter­stüt­zung der Stadt sein Schau­spiel­haus Hansa grün­dete. Seine künst­le­ri­schen Ambi­tio­nen und Ansprü­che lagen zwischen Boule­vard- und Staats­thea­ter. Doch bald hatte er mit dem Volks­thea­ter eine Markt­lü­cke in der Berli­ner Thea­ter­szene und damit den rich­ti­gen Stil für die Moabi­ter Gegend gefun­den. 1974 wurde das Schau­spiel­haus Hansa volks­tüm­lich in Hansa-Thea­ter umbe­nannt.
Bei Esser gab es keine Tren­nung von Volks­thea­ter und Gebrauchs­thea­ter. Er konnte damit bei der Phalanx der Thea­ter­kri­ti­ker keine Über­ein­stim­mung erzie­len, wie die Kriti­ken von Fried­rich Luft bewie­sen. Luft kam zum Fazit, dass die Kunst­kri­tik am Hansa-Thea­ter gar nichts verlo­ren hat. Essers Plädoyer für ein Thea­ter unter­halb des Dich­ter­him­mels wurde nicht zur Kennt­nis genom­men.

1981 endete nach 19 Jahren die Ära Esser. Das Thea­ter wurde an den Schau­spie­ler und Regis­seur Horst Nien­dorf über­ge­ben, der das Thea­ter auf der von Esser einge­schla­ge­nen Linie erfolg­reich weiter­führte. Schwänke, Lust­spiele, Komö­dien gehör­ten genauso zum Spiel­plan wie Auftrags­pro­duk­tio­nen über aktu­elle Themen oder berlin­be­zo­gene Stücke sowie die Aufar­bei­tung der Berli­ner Geschichte, zum Beispiel mit “Kaiser vom Alex­an­der­platz”.
Das Hansa-Thea­ter erlebte unter Horst Nien­dorf eine weitere Blüte. Es kam zu der Zusam­men­ar­beit mit namhaf­ten Autoren wie Horst Pillau und Regis­seu­ren wie Boles­law Barlog und Axel von Ambes­ser. Unter der Leitung von Paul Esser und später Horst Nien­dorf spiel­ten die großen Stars der deut­schen Unter­hal­tung: Brigitte Mira, Edith Hancke, Heinz Erhard, Klaus Dahlen, Harald Juhnke, Barbara Schöne, Dagmar Biener, Anita Kupsch, Eddi Arent, Peer Schmidt, Ilja Rich­ter und viele andere.

1995 über­nahm Klaus Rumpf die Leitung des Hansa-Thea­ters. Wiederum wurde die künst­le­ri­sche Linie fort­ge­setzt. In den 60er und 70er Jahren hatte Volks­thea­ter noch breite Bevöl­ke­rungs­schich­ten ange­spro­chen. In den 90ern musste Klaus Rumpf auf die verän­derte Lage im post­mo­der­nen Berlin reagie­ren. Das Volks­thea­ter verschwand aus dem Bewusst­sein der Berli­ner und wurde mehr und mehr zum Fremd­kör­per in der Stadt. Die Bühnen­ad­ap­tion des Films “Misery” ging neue Wege in der Form Volks­thea­ter. Solche Erneue­rungs­ver­su­che konn­ten die Stagna­tion jedoch nicht stop­pen. Der Staub vergan­ge­ner Epochen lastete auf dem tradi­ti­ons­rei­chen Haus. Ein jünge­res Publi­kum fand sich im Hansa-Thea­ter nicht ein. Die Gründe sind viel­fäl­tig. Volks­thea­ter war stets ein Spie­gel der Zeit. Der Draht zum Publi­kum ging allmäh­lich verlo­ren. Das künst­le­ri­sche Niveau konnte mit erfolg­rei­chen Produk­tio­nen wie “Zille mitten­mang” oder “Zicken­schulze” noch gehal­ten werden.

An der Schwelle zum neuen Jahr­tau­send über­gab Klaus Rumpf 1999 die Leitung an die Brüder Clau­dio und Pietro Manis­calco. Sie traten ein schwe­res Erbe an. In der über einhun­dert­jäh­ri­gen Exis­tenz des Hansa hat man das Volks­thea­ter schon häufig für tot erklärt. Doch Totge­sagte leben bekannt­lich länger.
Nach umfang­rei­chen Reno­vie­rungs­ar­bei­ten erstrahlt das Hansa-Thea­ter, nunmehr umbe­nannt in Berlins Volks­thea­ter Hansa, in neuem Glanz, als es am 19. Novem­ber 1999 mit dem Stück “Heinz Rühmann — Der Clown”, einer Revue über das Leben des großen Volks­schau­spie­lers, eröff­net wurde. Der Erfolg bei Kriti­kern und Publi­kum war glei­cher­ma­ßen groß. Und nach 12 Jahren zeich­nete der SFB erst­mals wieder ein Stück der Moabi­ter Bühne auf. Für die darauf­fol­gen­den Produk­tio­nen konnte man altbe­kannte Stars wie Dagmar Biener, Brigitte Mira, Waltraut Haas und Winnie Markus gewin­nen. Doch nach zwei­jäh­ri­ger Inten­danz erklärte Clau­dio Manis­calco mit Ende der Spiel­zeit 2000/01 seinen Rück­tritt. Die Umset­zung seiner Vorstel­lung von Volks­thea­ter sei auf Dauer mit dem kauf­män­ni­schen Verständ­nis seines Bruders nicht zu verei­nen.
Am 1.7.2001 über­nahm sodann der Schau­spie­ler, Regis­seur und ehema­lige Inten­dant des Berli­ner Kaba­rett-Thea­ters “Die Komö­di­an­ten” Fred Yorgk die künst­le­ri­sche Leitung von Berlins Volks­thea­ter Hansa. Yorgk setzte auf eine “neue, alte Schiene”: Volks­thea­ter mit Musik. Doch schon wenige Monate später, im Februar 2002, wurde sein Plan vom Berli­ner Senat durch­kreuzt. Die finan­zi­elle Misere der Stadt machte eine Strei­chung der bisher erhal­te­nen Subven­tio­nen nötig. Pietro Manis­calco sah sich unter diesen Umstän­den zur Liqui­da­tion von Berlins Volks­thea­ter Hansa GmbH gezwun­gen.

Das vorerst letzte Kapi­tel begann dann 2007: Unter dem Namen “Engel­brot & Spiele” eröff­nete HP Vannoni alias Trauschke das Haus erneut, doch wirk­lich glatt lief es nicht mehr. Nach vielen Quere­len, auch mit dem neuen Vermie­ter, wurde das Thea­ter im März 2009 wieder geschlos­sen. Einige Jahre später wurde es heim­lich abge­ris­sen.

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