Das *-Wort

Es tut sich was im deut­schen Sprach­raum! Allein seit 2020 sind viele Begriffe dazu­ge­kom­men, die man vorher norma­ler­weise nicht kannte oder die gar nicht exis­tier­ten. „Boos­tern“ ist das neueste, 2G plus, Stiko, Long Covid, Super­spre­a­ding, Quer­den­ker und viele mehr berei­chern nun unse­ren Wort­schatz.

Unab­hän­gig davon gibt es aber auch eine andere Entwick­lung. Wörter, die früher ganz normal im Sprach­ge­brauch veran­kert waren, sind nun nicht mehr gern gese­hen oder sogar verpönt. Haupt­ur­sa­che dafür ist, dass sie als diskri­mi­nie­rend wahr­ge­nom­men werden, wie z.B. das Wort „Zigeu­ner“. Angeb­lich soll dieser Begriff an „Ziehende Gauner“ erin­nern, was aber Blöd­sinn ist. Auch wenn die tatsäch­li­che Herkunft nicht endgül­tig geklärt ist, ist eines klar: Es gibt ihn bereits seit vielen Jahr­hun­der­ten und lehnt sich an Beschrei­bun­gen bestimm­ter Volks­grup­pen in Grie­chen­land und Indien an. Und zwar ohne diskri­mi­nie­ren­dem Hinter­grund. In Deutsch­land ist das Wort vor allem durch die Rassen­po­li­tik der Natio­nal­so­zia­lis­ten konta­mi­niert worden. Trotz­dem gibt es auch heute Roma und Sinti, die das Wort Zigeu­ner nicht ableh­nen, sondern als Über­be­griff bestimm­ter Volks­grup­pen akzep­tie­ren. Die Sinti-Alli­anz Deutsch­land zum Beispiel unter­schei­det danach, in welchem Kontext und vor allem mit welcher Absicht das Wort genutzt wird. Gleich­zei­tig aber wird der Begriff auch von vielen Sinti und Roma strikt abge­lehnt, eben aufgrund des histo­ri­schen Hinter­grunds.

Ähnlich verhält es sich mit dem Wort „Neger“, das in meiner Jugend in den 1970er Jahren noch ganz selbst­ver­ständ­lich für Schwarze genutzt wurde. Es war im allge­mei­nen Bewusst­sein nicht diskri­mi­nie­rend gemeint, zumal es auf den Begriff „schwarz“ zurück­geht.

Diese Beispiele sind nicht die einzi­gen, die zeigen, wie sich Spra­che und die Akzep­tanz inner­halb der Gesell­schaft verän­dert. Dass man sich heute mehr als noch vor zwei Jahr­zehn­ten mit diskri­mi­nie­ren­den Begrif­fen ausein­an­der­setzt, ist eine posi­tive Entwick­lung. Aber eine, die manch­mal leider weit über das Ziel hinaus­schießt. So bürgert es sich immer mehr ein, dass eben Begriffe wie Neger und Zigeu­ner nicht nur aus dem Sprach­ge­brauch entfernt werden, sondern in der Diskus­sion nicht mal mehr genannt werden dürfen. Es ist dann vom „N‑Wort“ oder „Z‑Wort“ die Rede. Wer nicht weiß, was dahin­ter­steckt, kann damit natür­lich nichts anfan­gen. Ich selber finde diese Entwick­lung albern, sie erin­nert an Harry Potter: „Der, dessen Namen nicht genannt werden darf.“

Viele Begriffe, vor allem Beschrei­bun­gen von Menschen­grup­pen, werden als böse dekla­riert und durch neue, teil­weise Kunst­worte, ersetzt. Man darf nicht mehr Eskimo sagen und wenn eine Grünen-Funk­tio­nä­rin von India­nern spricht, entschul­digt sie sich danach für ihre angeb­lich rassis­ti­sche Wort­wahl.

Auch das weite Feld des Genderns erin­nert an den „Neusprech“ in Geor­ges Orwells Roman 1984. Natür­lich ist es nötig zu zeigen, dass es eben nicht nur Bürger gibt, sondern eben auch Bürge­rin­nen. Leider wird auch dieses Gern­dern oft weit über­trie­ben und in der Folge ist nicht mehr die Beschrei­bung eines Menschen oder seiner (ihrer?) Tätig­keit im Mittel­punkt, sondern das Geschlecht. Dabei sollte es doch gerade anders herum sein: Das Geschlecht, egal ob weib­lich, männ­lich oder divers, sollte eigent­lich egal sein. Menschen soll­ten nicht aufgrund dessen einge­ord­net werden, sondern aufgrund von dem, was sie tun oder reprä­sen­tie­ren. Wenn man z.B. von einem Maler / einer Male­rin spricht, dann ist vor allem wich­tig, dass er/sie malt und nicht, was er/sie in der Hose hat.

Dass auch immer mehr eher neutrale Bezeich­nun­gen genutzt werden, macht es nicht besser. „Radfah­rende“ und „Zufuß­ge­hende“ gehö­ren in die glei­che Kate­go­rie des Neusprechs, künst­li­che Wort­schöp­fun­gen, die kaum den Weg in die tatsäch­lich genutzte Spra­che finden werden.

Merk­wür­dig ist, dass viele Verfech­ter dieser Spra­che lieber riskie­ren, dass die eigent­li­che Aussage eines Satzes nicht mehr deut­lich wird. Bei Wort­un­ge­tü­men wie Bürger*innenmeister*innen muss man mehr die Form entschlüs­seln, als darüber nach­zu­den­ken, was inhalt­lich gemeint ist. Damit wird aber weder der Spra­che ein Gefal­len getan, noch denje­ni­gen, die damit einbe­zo­gen werden sollen.

Ich finde gerade dieses Argu­ment unsin­nig, dass die bishe­rige Spra­che Menschen ausgren­zen würde. Natür­lich gibt es Männer und Frauen und auch Menschen, die sich nicht in eine dieser Kate­go­rien einord­nen. Und selbst­ver­ständ­lich gibt es auch Diskri­mi­nie­run­gen aufgrund des Geschlechts oder der (nicht nur sexu­el­len) Orien­tie­rung. Ich habe das als Schwu­ler selber oft erlebt. Aber dass Begriffs­mons­ter wie „LGBT­QIA*“ die gesell­schaft­li­che Akzep­tanz fördern, möchte ich doch stark bezwei­feln.

Wich­tig ist doch, das Bewusst­sein inner­halb der Bevöl­ke­rung zu verän­dern. Das Ziel muss sein, zu errei­chen, dass es völlig egal ist, ob jemand eine Frau ist, schwarz, schwul oder irgend­ei­ner gesell­schaft­li­chen Minder­heit ange­hört. Natür­lich ist Spra­che auch Ausdruck des Denkens, aber durch die Verstüm­me­lung von Spra­che erreicht man doch keine höhere Akzep­tanz der Betrof­fe­nen.

Das betrifft auch die fakti­sche Gegen­dis­kri­mi­nie­rung. Wenn jemand als „alter, weißer Mann“ bezeich­net wird, ist das eine Diskri­mi­nie­rung aufgrund des Alters, der Haut­farbe und des Geschlechts – also alles Dinge, die nicht von dem Menschen beein­fluss­bar sind. Natür­lich sind Weiße und Männer in großen Teilen der Gesell­schaft privi­le­giert. Aber ist dies ein Grund, sie deshalb selber zu diskri­mi­nie­ren?

Die Spra­che und der Umgang mit vermeint­li­chen oder tatsäch­li­chen Minder­hei­ten ist natür­lich ein schwie­ri­ges Thema, bei dem viele Inter­es­sen rein­spie­len. Und dass sich im Umgang damit vieles ändern und weiter­ent­wi­ckelt muss, ist unbe­strit­ten. Aller­dings glaube ich nicht, dass man das mit Gewalt erreicht. Zumal die Gewalt der Spra­che oft von Menschen ausgeht, die selber gar nicht direkt betrof­fen sind. So wurde mir mal von Taxi-Fahr­gäs­ten sehr eindrück­lich nahe­ge­legt, dass ich als schwu­ler Mann gesell­schaft­lich diskri­mi­niert bin. Ich habe das abge­strit­ten und argu­men­tiert, dass ich mich nicht so fühle, von indi­vi­du­el­len Ausnah­men natür­lich abge­se­hen. Darauf­hin wurde mir vorge­wor­fen, ich hätte nicht das „rich­tige“ Bewusst­sein und würde der Diskri­mi­nie­rung damit sogar Vorschub leis­ten. Ganz nach dem Motto: „Ob du diskri­mi­niert wirst, kannst du selber gar nicht einschät­zen.“ Das ist eine krasse Entmün­di­gung. So wie auch einem schwar­zen Freund vorge­wor­fen wurde, sein selbst gewähl­ter Name Krossi (von Schoko Krossi) wäre rassis­tisch und er dürfte ihn nicht benut­zen.

Es sind oft die glei­chen Leute, die als Sprach­po­li­zis­ten der angeb­li­chen Diskri­mi­nie­rung entge­gen­tre­ten — gleich­zei­tig aber die vermeint­li­chen Opfer gar nicht ernst nehmen. Da spielt Ideo­lo­gie eine größere Rolle, als der tatsäch­lich gute Wille.

Ich glaube jeden­falls nicht, dass man mit Verbo­ten eine posi­tive Verän­de­rung im Bewusst­sein der Menschen erreicht. Und erst recht nicht damit, dass das angeb­lich Böse mit *-Stern­chen bekämpft werden kann.

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1 Kommentar

  1. “Es sind oft die glei­chen Leute, die als Sprach­po­li­zis­ten der angeb­li­chen Diskri­mi­nie­rung entge­gen­tre­ten – gleich­zei­tig aber die vermeint­li­chen Opfer gar nicht ernst nehmen.”

    Ich finde, hier machst du einen guten Punkt. Es ist wich­tig, denje­ni­gen Menschen zuzu­hö­ren, die mit der jewei­li­gen Bezeich­nung gemeint sind — das wird womög­lich zu oft aus den Augen verlo­ren.

    Gleich­zei­tig bedeu­tet das aber auch, offen zu sein und Selbst­be­zeich­nun­gen anzu­neh­men, auch wenn man vorher einen ande­ren Begriff benutzt hat und dies als unpro­ble­ma­tisch ange­se­hen hat.

    Selbst­ver­ständ­lich kann nicht eine einzelne Person einer Gruppe defi­nie­ren, welche Bezeich­nun­gen alle Zuge­hö­ri­gen als belei­di­gend empfin­den. Umso wich­ti­ger ist es aber, zu verste­hen, dass es einen großen Unter­schied macht, ob es sich um eine Selbst- oder Fremd­be­zeich­nung handelt. Dann ist es im Grunde auch egal, ob man diesen Begriff als neutral erach­tet. Am Ende des Tages gibt es nämlich faktisch keine Sprach­po­li­zeit und man ist frei, zu sagen, was man möchte (soweit man keinen Straf­tat­be­stand erfüllt).

    Man trifft aber immer die Entschei­dung, ob man Begriffe verwen­det, die die betrof­fene Person herab­set­zen können oder eben nicht.

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