Stromversorgung in West-Berlin während der Blockade

Ehemaliges Kraftwerk West heute

Auf die am 20. Juni 1948 in den drei deut­schen West­sek­to­ren durch­ge­führte Währungs­re­form, die von den West-Alli­ier­ten im Allein­gang veran­stal­tet wurde, reagier­ten die russi­schen Mili­tärs in der Sowje­ti­schen Besat­zungs­zone (SBZ) mit einer Blockade. Da Berlin immer noch ein großes Trüm­mer­feld war, war es voll­stän­dig von der Belie­fe­rung von außen abhän­gig. In der Nacht vom 23. auf den 24. Juni 1948 gingen in Berlin die Lich­ter aus. Mit der nun begin­nen­den Blockade soll­ten die west­li­chen Alli­ier­ten zur Aufgabe der West­sek­to­ren gezwun­gen werden, diese Stadt­teile soll­ten der SBZ ange­glie­dert werden.

Doch es kam anders. Bereits zwei Tage nach dem Beginn der Blockade begann die bis dahin größte Versor­gungs­ak­tion aus der Luft, die sich bis zum Blocka­de­ende am 12. Mai 1949 und noch etwas darüber hinaus hinzog. Das gesamte West-Berlin wurde aus der Luft versorgt, und das nicht nur mit Lebens­mit­teln. Ein Problem war nämlich auch, dass die West­sek­to­ren bisher zum Teil von Kraft­wer­ken aus dem Umland und auch Ost-Berlin versorgt wurden. Noch in der ersten Nacht wurden die Leitun­gen vom Groß­kraft­werk Golpa-Zschor­ne­witz nach Span­dau gekappt, es folg­ten die Verbin­dun­gen von Klin­gen­berg und Rummels­burg. Mit Ausnahme des Werks in Span­dau befan­den sich auf West-Berli­ner Terri­to­rium nur sechs klei­nere Kraft­werke, die alle schon älte­ren Datums waren und nur begrenzt zur Strom­erzeu­gung taug­ten. Dies waren die Kraft­werke Char­lot­ten­burg, Moabit, Wilmers­dorf, Unter­spree, Steglitz und Schö­ne­berg. Alle zusam­men konn­ten gerade mal 16% des Stroms erzeu­gen, der vor der Blockade in den West­sek­to­ren verbraucht worden war.
Die Bewag unter­nahm sofort Maßnah­men, um die Strom­erzeu­gung auszu­wei­ten. Vor allem die Klein­kraft­werke von großen Indus­trie­be­trie­ben wie Borsig speis­ten einen Teil ihrer Produk­tion in die Leitun­gen ein. Trotz­dem musste der Strom stark ratio­niert werden, in der Regel gab es täglich nur an zwei Stun­den Elek­tri­zi­tät, und zwar in jedem Stadt­teil zu einer ande­ren Zeit. So muss­ten manche Leute morgen um 1 Uhr aufste­hen, wenn sie z.B. Wäsche bügeln woll­ten, weil um 3 Uhr der Strom wieder abge­stellt wurde.
Da die Kraft­werke ausschließ­lich mit Kohle befeu­ert wurden, kam es schnell zu Engpäs­sen, die Luft­brü­cke musste nun auch Kohlen einflie­gen. An eine Verfeue­rung der kost­ba­ren Kohlen in den Öfen der Wohnun­gen war kaum zu denken und so zogen die West-Berli­ner in die Parks und Wälder und sägten dort die Bäume ab. Der Senat besann sich sogar auf eine längst verges­sene Alter­na­tive: In Mari­en­felde, Span­dau und Wittenau wurden schon Jahr­zehnte vorher kleine Kohle­vor­kom­men entdeckt. Die Braun­kohle steckte jedoch 50 bis 100 Meter tief im Boden. Berg­bau­in­ge­nieure aus dem Ruhr­ge­biet erkun­de­ten das Terrain und mach­ten zahl­rei­che Probe­boh­run­gen. Doch der Aufwand, diesen Schatz zu heben, wäre zu groß gewe­sen.
Statt­des­sen wurde also Stein­kohle mit hohem Brenn­wert über die Luft­brü­cke einge­flo­gen. Vor allem in Tempel­hof, aber auch in Gatow sowie auf der Havel lande­ten die Flug­zeuge in kurzen Abstän­den. Inner­halb von 85 Tagen wurde zusätz­lich in Tegel ein Flug­ha­fen errich­tet, der einen Teil der Güter aufnahm.
In Essen wurde ein Kohlen­trans­port­stab einge­rich­tet, der den Trans­port von den Gruben zu den Flug­hä­fen orga­ni­sierte. Schon drei Wochen nach Blocka­de­be­ginn lande­ten die ersten “Skymas­ter” mit je acht Tonnen Stein­kohle auf dem Flug­ha­fen Tempel­hof. Schon drei Wochen später waren auf 4000 Flügen 20.000 Tonnen einge­flo­gen worden. Bis zum Ende der Blockade wurden die Höchst­men­gen Woche für Woche gestei­gert, bald konn­ten die Kohlen auch wieder zum Heizen genutzt werden, wenn natür­lich auch nur zum klei­nen Teil. Am Ende der Luft­brü­cke waren 1,5 Millio­nen Tonnen Stein­kohle in die einge­schlos­sene Stadt gekom­men

Niemals zuvor war in so kurzer Zeit eine solche Leis­tung erbracht worden, wie die Luft­brü­cke und ihre Kohlen­trans­porte. Daher fehlte natür­lich das prak­ti­sche und logis­ti­sche Wissen dafür, das sich erst im Laufe der Aktion aufbaute. Von allen Gütern, die über die Luft­brü­cke einge­flo­gen wurden, waren 62% Kohlen. Das bedeu­tet, das täglich eine Menge in Flug­zeu­gen trans­por­tiert wurde, die norma­ler­weise in sieben Güter­zü­gen mit je 25 Waggons gelie­fert worden wären. Und anders als in der Bahn konnte man die Kohlen nicht einfach ins Flug­zeug schüt­ten. Sie wurden statt­des­sen nach der Anlie­fe­rung auf den Abflug­hä­fen in Seesä­cke geschau­felt, in die Maschine getra­gen und dort musste sie einzeln an der Bord­wand ange­bun­den werden. Ein Verrut­schen der Ladung während des Flugs hätte zum Absturz führen können.
Sofort nach der Landung in Berlin wurden die Flug­zeuge entla­den — und zwar direkt auf die bereit­ge­stell­ten Fahr­zeuge. Aller­dings gab es so kurz nach dem Krieg kaum Last­wa­gen in der zerstör­ten Stadt und so muss­ten auch Pfer­de­fuhr­werke und Trecker mit Anhän­ger einge­setzt werden. Um Zeit zu sparen, wurden die Kohlen bald nicht mehr in Säcken auf die Wagen gepackt, sondern einfach darüber ausge­schüt­tet. So dauerte die Entla­dung eines Flug­zeugs nur etwa eine Vier­tel­stunde. Die Fahr­zeuge fuhren dann meist an einen Hafen, von wo aus die Kohle dann per Schiff zu einem der Kraft­werke gebracht wurde. Vor allem der Tempel­ho­fer Hafen bot sich an, da von dort aus mehrere Ziele auf dem Wasser­weg erreich­bar waren. Aber auch der West­ha­fen wurde genutzt, außer­dem die noch vorhan­de­nen Zugver­bin­dun­gen inner­halb der Stadt.

Um die Kraft­werks-Kapa­zi­tä­ten zu erhö­hen, beschloss die Bewag, das Kraft­werk West wieder aufzu­bauen. Es war unmit­tel­bar nach Kriegs­ende demon­tiert worden, doch die Gebäude und unter­ir­di­schen Leitun­gen waren noch vorhan­den. Bereits im Früh­jahr 1948 war von der briti­schen Mili­tär­re­gie­rung die Geneh­mi­gung dafür erteilt worden, nun aber musste der Wieder­auf­bau voran­ge­trie­ben werden, am 23. Okto­ber wurde das Richt­fest gefei­ert.
Aller­dings fehlte es vor allem an der Kraft­werk­aus­stat­tung. Kessel und Turbi­nen waren schon vorher in Auftrag gege­ben worden und im Herbst 1948 fertig, jedoch lager­ten diese Teile im Ruhr­ge­biet. Doch die briti­schen und ameri­ka­ni­schen Alli­ier­ten stell­ten fünf Flug­zeuge zur Verfü­gung, die nur für den Trans­port dieser Kraft­werks­an­lage einge­setzt wurden. Viele Teile waren zu groß, um in einem Flug­zeuge trans­por­tiert werden zu können, sie muss­ten ausein­an­der­ge­schnit­ten und später in Berlin wieder zusam­men­ge­schweißt werden. Insge­samt betrug die Tech­nik, die über die Luft­brü­cke einge­flo­gen wurden, 1500 Tonnen, dazu kamen noch einmal 2000 Tonnen Zement und Steine. Beim sicher unge­wöhn­lichs­ten Flug musste die hintere Lade­klappe des Flug­zeu­ges offen­blei­ben, da der Kessel zu lang war und nicht zerschnit­ten werden sollte.
Auf diese Weise wurde also ein ganzes Kraft­werk über die Luft­brü­cke einge­flo­gen. Die Inbe­trieb­nahme erfolgte einige Monate nach Been­di­gung der Blockade im Dezem­ber 1949.

Foto: Alexrk2 / CC BY-SA 3.0

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2 Kommentare

  1. Hallo,
    ich hatte irgend­wann mal mitbe­kom­men, das in Berlin ein großer Accu instal­liert wurde, um
    während einer erneu­ten Blockade die
    Strom­ver­sor­gung der Stadt für einen Tag aufrecht erhal­ten zu können. Ich
    könnte mich da aber auch täuschen.
    Haben sie davon schon mal gehört. Der Accu soll riesig gewe­sen sein.

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