
Adlershof ist ein großer Irrtum. In Berlin, aber auch weit darüber hinaus, verbindet man mit diesem Namen die sogenannte Stadt für Wissenschaft, Wirtschaft und Medien (WISTA). Hier haben viele Wissenschafts- und Technologieunternehmen ihren Sitz, es gibt Fernsehstudios und bis 1990 befand sich an diesem Ort auch das Fernsehen der DDR.
Das alles liegt südlich der S‑Bahn. Doch der eigentliche Ortsteil Adlershof liegt auf der anderen Seite der Bahntrasse. Es ist ein Stadtteil, der seinen kleinstädtischen Charakter bis heute erhalten hat. Die Dörpfeldstraße mit den kleinen Marktplatz im Zentrum ist die Hauptstraße des Ortes.
Eines der wenigen wirklich interessanten Gebäude im Wohnviertel ist das alte Kino Capitol in der Dörpfeldstraße. Doch nach seiner Schließung in den 1990er Jahren verfiel das Haus. Erst 2007 fand sich ein Käufer, der es renovierte und darin ein kleines Warenhaus einrichtete.
Gleich nebenan in der Friedenstraße befindet sich dagegen noch immer das kleine Filmtheater Casablanca, versteckt in einem unscheinbaren Wohnhaus. Der Ort Adlershof protzt nicht mit seinen Juwelen.
Zu denen gehört auch das Anna-Seghers-Museum in der gleichnamigen Straße. Die Schriftstellerin hat mehr als 20 Jahre in dieser Wohnung verbracht, die noch immer so eingerichtet ist, wie damals.
Östlich der heutigen Hauptstraße des Ortes, der Dörpfeldstraße, befanden sich im 16. Jahrhundert zahlreiche kleine Bauernhäuser mit direkt daneben liegenden Feldern. Offizielles Gründungsjahr ist aber erst 1754, weil dieses Jahr auf einem Zinsvertrag des Gutshofs Adlershof steht.
1867, mit gerade 190 Bewohnern, wurde das Dorf an die Görlitzer Bahn angeschlossen, sodass von nun an eine schnelle Verbindung nach Berlin bestand. Dies, aber auch der Bau des Teltowkanals, beförderte die Industrialisierung des Ortes, die Einwohnerzahl explodierte auf 8.000 innerhalb von wenigen Jahren. 1909 eröffnete südöstlich der Bahnstrecke der erste deutsche Motorflugplatz in Johannisthal-Adlershof. Im 1920 nach Berlin eingemeindeten Adlershof befand sich auch die zentrale Polizeifunkstelle des Deutschen Reiches mit zwei 120 Meter hohen, selbststrahlenden Sendemasten.
Nach 1945 entwickelte sich der südliche Ortsteil zu einem technologischen Zentrum: Akademie der Wissenschaften der DDR, neue Forschungsinstitute und der Deutsche Fernsehfunk beförderten diese Entwicklung. Am Zentralinstitut für Physikalische Chemie arbeitete zehn Jahre lang die spätere Bundeskanzlerin Angela Merkel, bis sie 1990 in die Politik ging.
Seit den 1990er Jahren ging die Entwicklung des Wissenschaftsstandortes rasant weiter mit der Schaffung des WISTA und seinen zahlreichen Firmen, Studios, Instituten und Forschungseinrichtungen.
Mittlerweile hat sich das Areal, das ständig erweitert wird, in einen international bedeutenden Standort für Wissenschaft, Forschung und Technologie entwickelt. In Adlershof trifft Altes auf Neues: Die denkmalgeschützten Gebäude des einstigen Deutschen Fernsehfunks stehen Seite an Seite mit futuristischen Glasfassaden der Hightech-Unternehmen. Hier arbeiten Physiker, Biotechnologen und Start-up-Gründer daran, die Welt von morgen zu gestalten. Die Atmosphäre ist dabei angenehm unaufgeregt: Man begegnet entspannten Studierenden der Humboldt-Universität, die hier einen ihrer Standorte hat, oder entspannten Spaziergängern im Landschaftspark, der an Johannisthal grenzt.
[ Berlin und seine Ortsteile ]
Foto: Georg Slickers
Wikimedia Commons, CC BY-SA 2.5
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