Autowahnbau

Die Berli­ner Poli­tik lebt offen­bar noch immer in den 60er Jahren. Anders ist es nicht zu erklä­ren, dass der Verkehrs­aus­schuss des Abge­ord­ne­ten­hau­ses gestern beschlos­sen hat, den Senat aufzu­for­dern, sich beim Verkehrs­mi­nis­te­rium für den Weiter­bau der Auto­bahn A100 einzu­set­zen.

Zwar dauert es noch einige Jahre, bis der Abschnitt von der Grenz­al­lee bis zum Trep­tower Park fertig­ge­stellt ist, aber das reicht den Auto­f­e­ti­schis­ten noch nicht: Sie wollen die Verlän­ge­rung bis zur Frank­fur­ter Allee, den soge­nann­ten 17. Bauab­schnitt. Beim Senat stoßen sie auf Zustim­mung, Stadt­ent­wick­lungs­se­na­tor Andreas Geisel möchte sogar noch mehr. Er spricht davon, irgend­wann auch den Ring zu schlie­ßen. Das würde bedeu­ten, sie über Fried­richs­hain, Weißen­see, Prenz­lauer Berg und dem Wedding zur jetzi­gen Auto­bahn­auf­fahrt Seestraße zu verlän­gern. wie schon einmal vor 50 Jahren müss­ten unzäh­lige Wohn­häu­ser dem Auto­bahn­bau weichen. Stadt­vier­tel würden zerschnit­ten, so wie es heute z.B. in Wilmers­dorf oder Schö­ne­berg  zu besich­ti­gen ist.
Dass die Lebens­qua­li­tät in den betref­fen­den Kiezen durch die Beton­mons­ter den Bach runter geht, inter­es­siert diese Leute nicht. Obwohl die Zahl der Fahr­zeuge in Berlin seit Jahren abnimmt, schwa­dro­nie­ren sie von immer mehr Auto­bah­nen und Schnell­stra­ßen. Dass die CDU diesen Schwach­sinn vertritt, über­rascht nicht. Die SPD jedoch macht sich ein weite­res Mal unglaub­wür­dig. Auf der einen Seite von einem Ausbau der Fahr­rad­in­fra­struk­tur zu spre­chen, ande­rer­seits neue Auto­bahn­schnei­sen durch die Stadt zu schla­gen — da zeigt sich, wessen Geis­tes Kind Geisel und auch der Verkehrs­aus­schuss ist.

Unab­hän­gig von der Stadt­zer­stö­rung sind die Kosten der Verlän­ge­run­gen gar nicht abseh­bar. Allein die jetzt im Bau befind­li­chen 3,2 Kilo­me­ter von Neukölln nach Trep­tow kosten (bisher) 420 Millio­nen Euro. Und selbst wenn die Auto­bahn “nur” bis zur Frank­fur­ter Allee weiter­ge­baut wird, würde das eine Verdop­pe­lung der Kosten bedeu­ten.

Schon lange wider­legt sind auch die Argu­mente, die Auto­bahn würde den übri­gen Verkehr entlas­ten. Über­all wo neue Schnell­stra­ßen durch die Vier­tel gebaut wurden, stieg der Zubrin­ger­ver­kehr an. Es gibt zusätz­li­che Belas­tun­gen der Wohn­vier­tel, denn irgendwo müssen die Autos ja fahren, wenn sie auf die Auto­bahn wollen oder von ihr herun­ter kommen.

Es bleibt nur zu hoffen, dass es bei der Abge­ord­ne­ten­haus­wahl im kommen­den Jahr einen Wech­sel im Senat gibt, denn die drei derzei­ti­gen Oppo­si­ti­ons­par­teien sind alle gegen die Verlän­ge­rung. Obwohl — viel zu sagen hat das leider nicht. Immer­hin bildete die Links­par­tei mit der SPD den Senat, als dieser den Weiter­bau nach Trep­tow beschlos­sen hat. Sie war zwar dage­gen, verhin­derte die Entschei­dung jedoch nicht.

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Die S4 habe ich rich­tig gern. Eine S‑Bahn der Verei­ni­gung; sie vervoll­stän­digt die Stadt. Von Halen­see, wo ich mit meiner Lebens­freun­din einsteige, sind wir schon am Trep­tower Park, ehe wir den Flug­ha­fen Tempel­hof hinrei­chend ins […]

1 Kommentar

  1. Hab deinen Text eben erst gese­hen. Volle Zustim­mung!
    Vor über 30 Jahren hatte ich noch die Hoff­nung, dass irgend­wann der Sprit so teuer wird, dass sich das Rumge­gurke für die Massen in jeweils einer Tonne Blech erle­digt haben wird. Aber das wird wohl so schnell nix werden.
    Am 9.11.1989 war ich zu einem Vortrag “Renais­sance der Stras­sen­bahn” — auch dieses Verkehrs­mit­tel leidet darun­ter, dass es für die “Entschei­der” unsexy ist und zu billig ggü. etwa einer U‑Bahn.
    An dem Elend in der Verkehrs­po­li­tik würde sich wohl nur etwas ändern, wenn sich die “Eliten” regel­mä­ßig eine Woche pro Monat ohne Pkw bewe­gen müss­ten.

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