Ich, Taxi-Diktator

Es gibt Gegen­den, da findet man keinen Taxi-Fahr­gast. Dort wohnt niemand, da sind keine Restau­rants oder Clubs, nicht mal Firmen. Die Heide­straße in Moabit ist solch ein Ort. Bisher stan­den hier Lager­häu­ser, auf der ande­ren Seite war ein Contai­ner­bahn­hof, aber das ist alles längst abge­ris­sen. Hier entsteht in den nächs­ten Jahren der neue Stadt­teil “Europa-City”, aber bis dahin fährt man hier einfach nur durch.
Außer, man hält an der Tank­stelle. So wie ich, morgens um 2.30 Uhr. Als ich fertig war und gerade wieder auf die Straße rollen wollte, stan­den tatsäch­lich drei Leute an Rand und wink­ten mich: “Sie sind frei?” Eine der unsin­nigs­ten Fragen eigent­lich, wenn das Taxi­schild beleuch­tet ist, aber sei’s drum. Im Auto sagte der junge Mann neben mir, dass sie zur Gericht­straße fahren woll­ten. Von hinten kam Wider­spruch: “Nein, wir fahren nach Kreuz­berg, man!”
Es entspann sich ein Streit zwischen der Wedding- und der Kreuz­berg-Frak­tion, wobei ich natür­lich aus rein egois­ti­schen Grün­den den Kreuz­ber­gern den Sieg wünschte, denn dort­hin war der Weg länger. Aber soweit war es noch lange nicht.

Erst­mal wurden Argu­mente ausge­tauscht. In der Gericht­straße wäre viel­leicht gar nichts mehr los, im SO36 aber auf jeden Fall noch. Ande­rer­seits soll dort Hubert am Tresen stehen und dem wollte man ja nun wirk­lich nicht begeg­nen. Aller­dings ist Kreuz­berg näher an Neukölln, wo sie offen­bar wohn­ten. Anne­ma­rie dage­gen wartete schon seit Stun­den im Wedding, dass sie endlich ankom­men würden.

Die salo­mo­ni­sche Lösung, eben diese Anne­ma­rie entschei­den zu lassen, schlug leider fehl — sie ging nicht an ihr Handy. Also ging die Diskus­sion wieder los. Ich mischte mich ein und sagte, dass ich nun das Taxa­me­ter anschal­ten werde, weil das ja alles von meiner Arbeits­zeit abgehe. Das woll­ten sie nun alle drei nicht. Ande­rer­seits war auch keine Lösung in Sicht. Deshalb probierte ich etwas ande­res:
“Mein Taxi, ich bestimme, wohin es geht!” Tatsäch­lich protes­tierte niemand, so dass wir endlich losfah­ren konn­ten. Und zwar nach Kreuz­berg. Offen­bar hatte ich die Wirkung meiner Worte unter­schätzt, denn nach ein paar Minu­ten fragte mich die Frau von hinten: “Das war aber aber schon ganz schön dikta­to­risch, oder?”
Ich stimmte ihr zu und verglich das mit einer Fami­lie: “Wenn die Kinder zanken, müssen die Eltern eben mal dazwi­schen gehen und entschei­den. Mag sein, dass das dikta­to­risch ist, aber manch­mal funk­tio­niert Demo­kra­tie eben nicht.”
Dann klin­gelte bei ihr das Handy, am ande­ren Ende war Anne­ma­rie. Sie wollte nur bescheid sagen, dass sie nun nach Kreuz­berg zum SO36 fährt und meine Fahr­gäste sollen doch dort hinkom­men.
Na prima, dann hab ich ja alles rich­tig gemacht :-)

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5 Kommentare

  1. Ich bekomme das Grin­sen nicht mehr aus dem Gesicht!
    Ich habe einen Stamm­gast, der fragt mich jedes Mal wohin wir fahren.
    Ist aller­dings immer sehr einfach zu beant­wor­ten, denn seit Jahren ist meine Antwort: “In den Puff”!

  2. @TaxiBerlin
    Ich kannte den Begriff bisher nicht, auch nicht im Zusam­men­hang mit Dir. Aber es dürfte ja kein Copy­right drauf sein, oder? ;-)

  3. Das ist ja mal gut gelau­fen :-)

    Meine Anmer­kung zu:
    „Sie sind frei?“ Eine der unsin­nigs­ten Fragen eigent­lich, wenn das Taxi­schild beleuch­tet ist, aber sei’s drum.

    Das ist für Taxi­fah­rer das selbst­ver­ständ­lichste der Welt, aber viele Fahr­gäste wissen das eben nicht. Mir war, bevor ich Taxi­blogs gele­sen habe, nicht bewusst, dass die Beleuch­tung der Fackel nicht etwa mit Tages­zeit, Lust des Fahrers, funk­tio­nie­ren­der Tech­nik oder wasauch­im­mer zusam­men­hängt, sondern schlicht anzeigt, ob das Taxi frei oder besetzt ist. OK, nun komme ich auch aus der tiefs­ten Provinz, wo es schon deshalb unmög­lich ist, ein Taxi herbei­zu­win­ken, weil man verhun­gert, verdurs­tet und anschlie­ßend verwest wäre, bevor zufäl­lig ein freies Taxi vorbei­kommt. Aber ich könnte mir vorstel­len, dass das auch in der Stadt viele nicht wissen.

    Ihr Taxi­blog­ger betreibt da ja schon ordent­li­che Aufklä­rungs­ar­beit, aber viel­leicht wäre da noch ein biss­chen was von Seiten der Berufs­or­ga­ni­sa­tio­nen o.ä. ange­bracht.

  4. @Marco
    Viel­leicht hast Du recht. Ande­rer­seits ist das in Berlin seit Jahr­zehn­ten so üblich und die drei mach­ten eher den Eindruck, dass sie öfter Taxi fahren. Zumal meine Fackel in der Nacht schön hell und einla­dend leuch­tet.
    Ich bin auch froh, nicht auf dem Lande zu fahren. Dort verhun­gern wohl nicht nur die poten­zi­el­len Fahr­gäste, sondern vermut­lich auch die Taxi­fah­rer :-)

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