Die Heldin vom Mittelmeer

Der Begriff „Held“ wird ja heut­zu­tage recht infla­tio­när genutzt. Pizza­lie­fe­ran­ten werden ebenso als Helden bezeich­net wie Leute, die sich einfach nur irgendwo enga­gie­ren, z.B. in ihrem Stadt­teil. Dabei beinhal­tet der Begriff Held, dass der betref­fende Mensch mit seinem Handeln auch ein persön­li­ches Risiko eingeht. Sei es, dass er sein Leben riskiert, um ande­ren zu helfen, oder auch „nur“ seine Frei­heit. Die Whist­le­b­lower Edward Snow­den, Chel­sea Manning und Julian Assange gehö­ren zum Beispiel in diese Kate­go­rie.

Auch Carola Rackete ist in meinen Augen eine Heldin. Sie ist Kapi­tä­nin des Schiffs Sea Watch 3 und hat in den vergan­ge­nen Wochen vielen Menschen das Leben geret­tet. Diese waren vor der Küste Liby­ens in Seenot gera­ten und von ihrem Schiff aufge­nom­men worden. Da Libyen die Flücht­linge nicht rettet, sondern in Lager steckt und oft bis zum Tod foltert, war es keine Option, sie dort hin zu brin­gen. Also fuhr sie mit ihnen Rich­tung Europa. Die Insel Lampe­dusa ist von dort aus der erste euro­päi­sche Punkt im Mittel­meer, sie gehört zu Italien.

Der rechts­ra­di­kale italie­ni­sche Innen­mi­nis­ter Matteo Salvini verwei­gerte dem Schiff jedoch die Anle­ge­ge­neh­mi­gung und drohte der Kapi­tä­nin tage­lang. Der Verein Sea Watch versuchte, vor dem Euro­päi­schen Gerichts­hof für Menschen­rechte die Aufnahme der Menschen in Italien zu erzwin­gen, was jedoch miss­lang. Dabei sind die inter­na­tio­na­len Gesetze eindeu­tig: Menschen in Seenot müssen geret­tet werden!

Salvini begann, Frau Rackete persön­lich anzu­grei­fen, zu belei­di­gen und ihr zu drohen. Unter ande­rem drohte er ihr an, dass sie für Jahre ins Gefäng­nis kommt, falls sie trotz Verbot in italie­ni­sche Gewäs­ser einläuft

Trotz­dem versuchte sie im Laufe der vergan­ge­nen Woche, Lampe­dusa anzu­fah­ren. Dabei wurde das Schiff jedoch von der Küsten­wa­che und Zoll­boo­ten gestoppt. Erst in der vergan­ge­nen Nacht schaffte sie es, in einen Hafen von Lampe­dusa vorzu­drin­gen. Darauf­hin wurde sie sofort fest­ge­nom­men.

Der Hass von Salvini und ande­ren rech­ten Poli­ti­kern entlud sich in wüsten Beschimp­fun­gen. Carola Rackete ist in Italien mitt­ler­weile sehr bekannt. Und nicht alle sehen sie als Staats­fein­din, sondern als ein Mensch, der bewusst seine eigene Frei­heit riskiert, um ande­ren das Leben zu retten.

Mehrere Parla­ments­ab­ge­ord­nete der italie­ni­schen Links­par­tei kamen auf die Sea Watch 3, um Rackete zu unter­stüt­zen. Ein Pfar­rer und Dutzende Insel­be­woh­ner schla­fen bereits seit einer Woche im Freien, als Soli­da­ri­täts­ak­tion für die 42 Flücht­linge auf dem Schiff. Die Stadt Palermo hat Carola Rackete und ihre Besat­zung sogar zu Ehren­bür­gern ernannt. Italie­ni­sche Aktivist*innen sammel­ten inner­halb von nur 24 Stun­den mehr als 200.000 Euro ein, um davon drohende Geld­stra­fen und Gerichts­kos­ten zu finan­zie­ren.

In Deutsch­land haben zahl­rei­che Städte die Aufnahme der Flücht­linge von der Sea Watch 3 ange­bo­ten, ebenso Städte in Portu­gal, Frank­reich und Luxem­burg. Dies aller­dings erst, als die Situa­tion schon längst eska­liert war.

Das menschen­ver­ach­tende Verhal­ten von Matteo Salvini, der die Flücht­linge wohl am Liebs­ten an Bord verre­cken lassen würde, wurde sogar von ande­ren euro­päi­schen Poli­ti­kern kriti­siert, wie vom deut­schen und luxem­bur­gi­schen Außen­mi­nis­ter. Salvini antwor­tete trot­zig: „Italien akzep­tiert Beleh­run­gen von nieman­dem“. Er nannte Rackete eine „verbre­che­ri­sche Kapi­tä­nin“ und sprach von der Höchst­strafe.

Die Migrant*innen und Besat­zungs­mit­glie­der konn­ten auf Lampe­dusa von Bord gehen, das Schiff wurde beschlag­nahmt.

Carola Rackete wusste, was sie riskiert. Sie hat sich trotz­dem dafür entschie­den, weil sie nicht zulas­sen will, dass Menschen auf der Suche nach einem siche­ren Leben im Mittel­meer ertrin­ken. In meinen Augen ist sie eine Heldin.

https://www.youtube.com/watch?v=d4c57HZm1e4

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