Bedrohlicher Nationalismus

Ich bin kein Natio­na­list. Zu oft sieht man, wie Natio­na­lis­mus in Chavi­nis­mus, Rassis­mus und Faschis­mus abdrif­tet. Das ist oft abseh­bar, wenn auch nicht zwangs­läu­fig die Konse­quenz. Der Natio­na­lis­mus unter­drück­ter Menschen und Völker (Beispiel Tibet) hat natür­lich eine andere Funk­tion als der eines star­ken Landes. Gleich­zei­tig ist das Zeigen der Fahne noch kein Natio­na­lis­mus.

Beispiel: Als im Sommer 2006 die deut­schen Stra­ßen voll schwarz-rot-gelber Fahnen waren, spra­chen trotz­dem nur wenige von deut­schem Natio­na­lis­mus. Es war auch keiner, sondern der Ausdruck eines Spiels, an dem viele Länder teil­nah­men, mehr nicht. Danach sind die Flag­gen wieder weni­ger gewor­den. Und selbst wer sie heute zeigt, ist nicht gleich ein poten­zi­el­ler Rassist. Das war vor zehn Jahren noch anders, da sahen viele Menschen die deut­sche Fahne auch als Ausdruck von Natio­na­lis­mus.

Anders ist das bei manchen ande­ren Völkern. Für viele ist der Natio­na­lis­mus sogar Grund zum bewaff­ne­ten Kampf, wie z.B. im Balkan. Dort hat er etwas Bedroh­li­ches, Unter­drü­cke­ri­sches. Und wer der “falschen” Natio­na­li­tät ange­hört, muss in manchen Ländern der Erde sogar um sein Leben fürch­ten.

Die Türken brau­chen nirgendwo Angst davor zu haben, wegen ihrer Herkunft verfolgt zu werden. Sicher werden sie in Deutsch­land und ande­ren Ländern von Neona­zis bedroht, aber das ist kein spezi­ell deut­sches oder türki­sches Problem, sondern das ist Rassis­mus, wie er über­all vorkommt. Eine spezi­elle Unter­drü­ckung von Türken aufgrund ihrer Natio­na­li­tät gibt es nicht. Somit sind die Türken auch keine unter­drückte Nation.

Wenn sie wie gestern nach einem gewon­ne­nen Fußball­spiel mit ihren Autos durch die Stadt fahren, mehrere Stadt­vier­tel stun­den­lang lahm­le­gen und die Menschen mit dem Hupen aus dem Schlaf reißen, dann mag das für manche ärger­lich sein, aber es ist kein Grund zum Angst haben. Eigent­lich. Tatsäch­lich ist das, was dort auf den Stra­ßen abging, aber nicht nur eine Freu­den­pa­rade. Am Nollen­dorf­platz, wo sich die Autos schon stau­ten, die noch zum Kudamm woll­ten, habe ich Szenen beob­ach­tet, die so gar nicht zum Freu­den­tau­mel pass­ten. Viele der Feiern­den zeig­ten mit der Hand das Zeichen der Grauen Wölfe, also der türki­schen Faschis­ten, deren Führer einst Adolf Hitler als sein Vorbild nannte. Die Grauen Wölfe sind eine mili­tante Orga­ni­sa­tion, die auch in Berlin schon Menschen ermor­det hat. Aus manchen Autos wehten die Fahnen der Orga­ni­sa­tion (rot mit drei Halb­mon­den), deut­schen Passan­ten wurde der Stin­ke­fin­ger gezeigt. An der Einmün­dung zur Einem­straße spran­gen mehrere Türken aus einem Autos und rann­ten einem schwu­len Pärchen hinter­her, das vorher noch an der Kreu­zung gestan­den hat. Glück­li­cher­weise konn­ten die flüch­ten. Zwei Stun­den später in Kreuz­berg flogen Flaschen gegen Jugend­li­che, die vor einem kurdi­schen Laden stan­den. Auch hier kam der Angriff wieder aus einem beflagg­ten Auto, von “Feiern­den”.

Ich habe nichts dage­gen, wenn türki­sche Bürger auf der Straße den Sieg ihrer Mann­schaft feiern. Genauso wenig, wie wenn es italie­ni­sche oder deut­sche oder meinet­we­gen öster­rei­chi­sche Massen wären. Aber der zur Schau gestellte Rechts­extre­mis­mus macht aus der Party eine poli­ti­sche Demons­tra­tion. Und wenn es wie gestern zu Ausschrei­tun­gen durch die Faschis­ten kommt, dann hat das nichts mehr zu tun mit harm­lo­sem Natio­na­lis­mus oder dem Sieg einer Fußball­mann­schaft.

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