4 Uhr morgens

Sommer vorm Balkon. Nach eini­gen sehr heißen Tagen eine warme Nacht. Sehr leich­ter milder Wind streicht über Arme und Gesicht. Unter mir die Straße ist tags­über so mittel belebt, 5, 6 Autos pro Minute. Nun aber ist sie leer. Kein Geräusch zu hören, abso­lute Stille, wie sie hier mitten in der Stadt selten ist. Wenn ich die Augen schließe, kommt es mir vor, als wäre ich auf dem Lande. Die Nacht hat sich auf die ganze Gegend gelegt, selbst in den umlie­gen­den Stra­ßen fahren offen­bar keine Autos. Der Nebel vom Rasen unten schluckt auch die letz­ten Geräu­sche. Neben mir leises Trop­fen, ich habe eben die nassen T‑Shirts auf den Stän­der gehängt.
Um die hellen Stra­ßen­la­ter­nen flie­gen die Mücken, das diesige Licht ist etwas unwirk­lich, die Laterne scheint wie auf einem unschar­fen Foto. Der Kirch­turm 200 Meter weiter ist im Nebel verschwun­den. Noch dunkel­grau der Himmel, der Morgen kommt im Hoch­som­mer schon etwas später. Nur ganz im Osten ein helle­rer Strei­fen, mehr zu ahnen, als zu sehen.
Auf den Stra­ßen sind noch ein paar Pfüt­zen vom abend­li­chen Regen übrig. Es gibt freie Park­plätze, der Sommer hat viele Vorteile.
Die Birken am Rand lassen ihre vollen Äste hängen, sie glei­chen den Trau­er­wei­den, an denen wir Kinder uns am Urban­ha­fen als Tarzans übers Wasser geschwun­gen haben. Jetzt aber schei­nen auch die Bäume zu schla­fen.
In ein paar Minu­ten werden die Vögel erwa­chen. Es sind 30, viel­leicht 50: Inner­halb von Sekun­den werden sie zu zwit­schern begin­nen, so laut, dass man es durchs geschlos­sene Fens­ter hören kann. Sie sitzen in zwei Baum­kro­nen unter meinem Balkon. Wenn sie losle­gen, flie­gen sie alle paar Minu­ten in einem Schwarm nach oben, über das Haus in einen Baum auf dem Hof. Dieses Schau­spiel wieder­holt sich täglich, etwa eine Stunde lang.
Doch noch ist es still. Leise höre ich das Poltern alter Räder. Es ist die Karre des Zeitungs­aus­trä­gers. Er schiebt sie nicht, sondern schubst sie immer ein Stück vor, dabei joggt er von Haus zu Haus. Manch­mal singend oder pfei­fend. Noch ist er zu weit weg, um ihn zu hören, nur das Rattern der Räder verrät ihn.
Die Fassa­den gegen­über liegen noch im Dunkeln. Im Erdge­schoss geht rumpelnd ein Rollo hoch, schickt einen hellen Schein nach außen. Ein erstes Zeichen des Erwa­chens. Von der Poli­zei­wa­che nebenan fährt ein Wagen durch die Straße, sein blaues Licht erleuch­tet zuckend die Häuser, es ist ein schö­nes Schau­spiel, aber schnell wieder vorbei.
Unten geht die Tür: Meine Nach­ba­rin schiebt ihr Fahr­rad raus, fährt nach Tempel­hof, wo die Briefe sortiert werden, die noch am Vormit­tag in den Wohn­häu­sern der Stadt landen. Ein kurzes Winken, leiser Gruß, schon verschwin­det auch ihr rotes Licht­chen im Dunst.
Schritte auf dem Gehweg, die Frau geht schnell in Rich­tung Bushal­te­stelle, viel­leicht hat sie verschla­fen. Auf der ande­ren Stra­ßen­seite ein junger Mann auf dem Weg nach Hause, man sieht ihm seine Müdig­keit auch aus der Entfer­nung an.
Lang­sam erwacht meine Straße. Und ich gehe ins Bett.

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