Bilderstürmer

In der Abge­schie­den­heit des Sommer­lochs findet derzeit in Berlin ein Schau­spiel statt, das nur als pein­lich bezeich­net werden kann. Sein Titel könnte lauten: “Kalter Krieg 3.0«

Nach­dem wir Jahr­zehnte lang damit rech­nen muss­ten, wahl­weise von den Sowjets oder den US-Ameri­ka­nern eine Atom­bombe auf den Kopf zu bekom­men, dach­ten wir Anfang der 1990er, dass es nun vorbei sei mit diesem Denken.
Doch die Sieger­seite zeigte ihre Verach­tung, zerstörte symbo­li­sche Orte des Ostens (Repu­blik­pa­last, Ahorn­blatt), berei­cherte sich an den brauch­ba­ren Hinter­las­sen­schaf­ten der DDR und schickte Hundert­tau­sende in die Arbeits­lo­sig­keit und Verzweif­lung. Der Kalte Krieg wurde auf der gesell­schaft­li­chen Ebene weiter­ge­führt.

Nun also der dritte Akt, wenn auch nicht so drama­tisch. Im Rahmen der Ausstel­lung “Enthüllt” sollen in der Zita­delle ab dem kommen­den Früh­jahr Denk­mä­ler aus Berlin gezeigt werden. Die Eröff­nung war bereits für 2013 geplant, aber wie das eben so ist in Berlin, nichts wird wie ursprüng­lich gedacht. Und so liefert der Senat nun eine Kalte-Kriegs-Gedächt­nis­posse vom Feins­ten nach: Das höchste je in Berlin errich­tete Denk­mal, das einst zur Erin­ne­rung an den russi­schen Revo­lu­tio­när W.I. Lenin gefer­tigt wurde, darf in der Ausstel­lung nicht gezeigt werden. Dabei soll­ten gar nicht die ganzen 19 Meter Höhe aufge­baut werden, nur sein Denker­kopf war für die Ausstel­lung vorge­se­hen und auch schon seit Jahren geneh­migt. Nun aber verwei­gert der Senat die Heraus­gabe des Granit­schä­dels — und zwar ohne Angabe von Grün­den. Zwar gibt es eine Begrün­dung, aber diese ist — wenn man es freund­lich ausdrü­cken möchte — eine Ausrede: Angeb­lich wüsste das Landes­denk­mal­amt nicht, wo genau der Kopf in der Seddi­ner Heide begra­ben liegt. Da dieselbe Behörde aber die Teile des Monu­ments immer wieder mal kontrol­liert, kann man es ruhig als das bezeich­nen, was es ist: Eine dreiste Lüge. Und selbst wenn im Denk­mal­amt alle Unter­la­gen darüber verschwun­den und sämt­li­che Mitar­bei­ter an plötz­li­cher Demenz erkrankt wären, gibt es noch genug Menschen, die weiter­hel­fen könn­ten. Auch ich bin gerne bereit, der Behörde den genauen Ort zu zeigen.

Man kann darüber speku­lie­ren, wieso der Senat sich weigert, Lenins Birne in eine Ausstel­lung über die Berli­ner Denk­mä­ler aufzu­neh­men. Daran, dass es für einen Dikta­tor stand, kann es nicht liegen, denn die meis­ten der geplan­ten Ausstel­lungs­stü­cke zeigen Mitglie­der adli­ger Herr­schafts­fa­mi­lien, deren Herzens­sa­che es nicht gerade war, für demo­kra­ti­sche Verhält­nisse einzu­tre­ten.
Dass der konser­va­tive Teil des Senats lieber die preu­ßi­sche als die sozia­lis­ti­sche Geschichte der Stadt gewür­digt sehen möchte, ist nach­voll­zieh­bar. Man kann auch ohne Krawatte ewig­gest­rig sein. Sicher: Die SPD ist in ihrer langen Geschichte immer wieder rechts abge­bo­gen, auch wenn sie links geblinkt hat. Dass sie nun aber 40 Jahre der neue­ren Geschichte ausge­rech­net in einer Geschichts­aus­stel­lung zensie­ren, markiert einen Tief­punkt selbst bei den Sozi­al­de­mo­kra­ten.
Revo­lu­tio­när Lenin wird abge­ris­sen, während am Großen Stern weiter­hin die Denk­mä­ler der Kriegs­trei­ber Bismarck und Roon stehen dürfen. Das war schon vor 20 Jahren Bilder­stür­me­rei und der Senat von heute zeigt, dass er noch immer in der Kalten-Krieg-Denke verhaf­tet ist. Dass er damit, 25 Jahre nach der Wende in der DDR, wieder mal einem großen Teil der Bevöl­ke­rung vors Schien­bein tritt, ist ihm egal. Es ist die Arro­ganz der Macht, damals wie heute.

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Berlin

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