Phänomen Pegida

Es ist inter­es­sant, wie das bisher regio­nale Phäno­men Pegida bundes­weit für Aufre­gung sorgt. Ist das wirk­lich ange­mes­sen? Sicher — dass in Dres­den jede Woche Tausende mit rassis­ti­schen und Verschwö­rungs­pa­ro­len auf die Straße gehen, ist ekel­haft und nicht zu akzep­tie­ren. Aber wirk­lich erstau­nen kann es einen nicht, schon seit Jahr­zehn­ten ist Sach­sen eine Hoch­burg des Rechts­extre­mis­mus. Lange vor dem NSU und der Verstri­ckung von Verfas­sungs­schutz und Neona­zis in diesem Bundes­land galt Sach­sen als Wohl­fühl­zone der Brau­nen. Rechte Skin­heads und Hooli­gans zu DDR-Zeiten, Brand­an­schläge und Morde gegen Flücht­linge in den 90ern, NPD-Hoch­burg wie die Säch­si­sche Schweiz seit den Nuller Jahren, alles nicht neu. Dres­den war da schon immer mitten­drin.

Das Betrof­fen­heits­ge­la­ber der bürger­li­chen Poli­ti­ker in Bezug auf die Pegida-Demons­tra­tio­nen ist dage­gen nur pein­lich. Was soll man von den Beteue­run­gen der Bundes­kanz­le­rin halten, die wenige Monate zuvor eine Verschär­fung des Asyl­rechts durch­ge­zo­gen hat? Und deren Kollege Seeho­fer gleich­zei­tig mehr Abschie­bun­gen fordert? Die zudem in Verdacht steht, mit ihren Äuße­run­gen vor allem CDU-Wähler vom Wech­sel zur Konkur­renz AfD abhal­ten zu wollen.
An den Taten sollt Ihr sie erken­nen! Doch diese Taten sind das Gegen­teil von dem, was die Bundes­re­gie­rung sagt. Statt Aufnahme von Flücht­lin­gen, Hilfe und Unter­stüt­zung bei der Einglie­de­rung werden die Mauern erhöht. Man trom­melt sich auf die Brust, dass man so “viele” Asyl­su­chende aufneh­men wurde, doch das ist eine Lüge. Gerade mal 20.000 Flücht­linge aus Syrien gibt es in Deutsch­land, von dort kommen derzeit die meis­ten Schutz­su­chen­den. Dage­gen hat Jorda­nien 600.000, die Türkei eine Million und der Liba­non 1,1 Million syri­sche Flücht­lin­gen aufge­nom­men1 — alles Staa­ten, die wesent­lich ärmer sind als unser Land. Die Bundes­re­pu­blik ist kein Flücht­lings-freund­li­ches Land, sie tut nur so!

Zurück nach Dres­den: Tausende Demons­tran­ten sehen in 0,1 Prozent Moslems bereits eine “Über­frem­dung”. Manche Poli­ti­ker meinen, man müsse diese “Ängste” ernst nehmen. Nein, das muss man nicht! Es handelt sich nicht um Angst, sondern um Rassis­mus. Wieso sollte man Leute hofie­ren, die schon allein in der Herkunft von Menschen einen Grund sehen, diese abzu­leh­nen? Denen das Schick­sal der Flücht­linge völlig egal ist, obwohl die oft aus dem Krieg kommen, ihre Heimat zerstört, ihre Häuser zerbombt und ihre Ange­hö­ri­gen ermor­det wurden. Viele der Dres­de­ner Demons­tran­ten waren vor 25 Jahren selbst noch Asylan­ten: Sie gingen als Wirt­schafts­flücht­linge in die Bundes­re­pu­blik, erst einzeln, dann als gesam­tes Land. Nur weil sie weiße Deut­sche sind, waren sie deshalb bessere Flücht­linge?
Zum Glück gibt es auch andere, die den Asyl­su­chen­den posi­tiv und offen begeg­nen. Sie verhin­der­ten am Montag, dass die Rassis­ten vor dem Bran­den­bur­ger Tor in Berlin und dem Kölner Dom ihre Paro­len verbrei­ten konn­ten. Die rech­ten Orga­ni­sa­to­ren wollen aber weiter­ma­chen, in ihren Augen werden sie durch die Proteste noch bestä­tigt: “Staat und Presse, Linke und Auslän­der” wollen sie unter­drü­cken und mund­tot machen. Sie stel­len sich als verfolgte und unter­drückte Minder­heit hin, denen “das System” nur Böses will. Selber schuld!

Wer seine Reihen für orga­ni­sierte Neona­zis öffnet, von der Kund­ge­bung aus in 50-Mann-Forma­tion Immi­gran­ten jagt und verprü­gelt, der braucht sich nicht zu wundern, wenn man ihn nicht mag. Da nützt auch die bürger­li­che Fassade nichts mehr. Seit Max Frit­sch wissen wir, dass Bieder­män­ner und Brand­stif­ter nicht so weit ausein­an­der liegen.
Dabei sind die Pediga-Orga­ni­sa­to­ren nicht dumm. Obwohl sie bisher nur in Dres­den Erfolg haben, verste­hen sie es, sich bundes­weit Aufmerk­sam­keit zu sichern. Gestern erst wurde ein Aufruf von 50 Poli­ti­kern (darun­ter zwei Ex-Kanz­ler), Promi­nen­ten aus Wirt­schaft und Kultur gegen die Hetze dieser Leute veröf­fent­licht. Im ganzen Land berich­ten die Nach­rich­ten über die Pediga-Aufmär­sche, selbst im Ausland werden deut­sche Diplo­ma­ten von der dorti­gen Presse dazu befragt. Die Pediga wird größer gemacht, als sie es verdient. Eine eigene Werbe­kam­pa­gne kann sie sich sparen. Durch die breite Bericht­erstat­tung könnte sie vom regio­na­len zum bundes­wei­ten Phäno­men werden.
Trotz­dem bin ich nicht dafür, die Infor­ma­tion über diese Leute zu unter­las­sen. Es ist wich­tig klar­zu­stel­len, dass es sich bei ihnen nicht um arme, unver­stan­dene Bürger handelt, denen man was wegneh­men will. Die Pegida-Bewe­gung ist in ihrer gesam­ten Ausrich­tung rassis­tisch und nichts ande­res! Das wird ma ja wohl noch sagen dürfen.

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6 Kommentare

  1. “Gestern erst wurde ein Aufruf von 50 Poli­ti­kern (darun­ter zwei Ex-Kanz­ler), Promi­nen­ten aus Wirt­schaft und Kultur gegen die Hetze dieser Leute veröf­fent­licht. ”

    Wie zynisch ist das, wenn der Brand­stif­ter der Brand­stif­ter das tut?!?

  2. Natür­lich darf man das sagen, aber es ist nicht auto­ma­tisch rich­tig. Die Dinge, die vielen Leuten nicht gefal­len, sind viel diffi­zi­ler, als sich so mancher Boule­vard­jour­na­list vorstel­len kann — Oder wahr­ha­ben will!
    Beispiel gefäl­lig: Asyl­su­chende kommen nach Deutsch­land, weil in ihren Ländern Krieg oder Bürger­krieg herrscht. So wollen also Frie­den. Wirk­lich? Wieso liefern sie sich dann auf deut­schem Boden Schlach­ten unter­ein­an­der?! Das hätten sie auch einfa­cher haben können, nämlich an Ort und Stelle.
    Ein Wort auch zur Arbeits­mi­gra­tion. Frau Merkel sagt: “Wir brau­chen junge, gut ausge­bil­dete Menschen aus dem Ausland, um unsere Wirt­schaft zu stär­ken und die Aufga­ben der Zukunft bewäl­ti­gen zu können”. Das ist ein voll­kom­men falscher Satz! Rich­tig müßte er nach dem Wort “Ausland” in etwa so lauten: ” …,um unsere eigene doofe Jugend zu erset­zen, die wir uns mit unse­rer geschei­ter­ten Bildungs­po­li­tik heran­ge­zo­gen haben.”
    Warum eigent­lich beschäf­tigt sich die Öffent­lich keit nur mit dem Namen und nicht mit den 19 programm­punk­ten der Pegida?

  3. @ Bernd
    Genau das ist das Problem auch in diesen Krei­sen: Natür­lich gibt es Flücht­linge, die sich in Deutsch­land unter­ein­an­der bekämp­fen. Über die Gründe dafür schreibst Du nichts. Aber diese viel­leicht ein Prozent werden dann als Argu­ment gegen Flücht­linge im Allge­mei­nen benutzt. Ich habe hier seit 25 Jahren mit Flücht­lin­gen zu tun und weiß wohl, dass es unter­ein­an­der Span­nun­gen gibt. Aber dass sie sich hier “Schlach­ten liefern” habe ich noch nicht erlebt. Statt­des­sen Menschen, die zum größ­ten Teil trau­ma­ti­siert sind wegen dem, was sie erlebt haben. Kinder, die wegen der Silves­ter­knal­le­rei aus Panik die Wände hoch­ge­hen, Erwach­sene, die sich beim Anblick von Poli­zis­ten einnäs­sen, weil sie von Männer in Unifor­men gefol­tert wurden. DAS ist die Reali­tät bei der großen Mehr­heit der Flücht­linge.

    Was Du zu Merkel geschrie­ben hast, da stimme ich Dir gerne zu.
    Im Übri­gen haben ich die 19 Punkte auch gele­sen und kann nur sagen, dass Papier gedul­dig ist. Meine Erfah­run­gen mit den Sympa­thi­san­ten und vergan­ge­nen Montag mit den Demons­tran­ten hier in Berlin spre­chen eine andere, eindeu­tig rassis­ti­sche Spra­che. Den letz­ten Punkt finde ich am besten, da soll­ten sie mal auf ihren eige­nen Demons­tra­tio­nen anfan­gen: “Gegen Hass­pre­di­ger”.

  4. Zu den “inter­nen Graben­kämp­fen”: Die Gründe für diese sind total Wurst! Man trägt einfach keine gewalt­tä­ti­gen Ausein­an­der­set­zun­gen in sein Gast­ge­ber­land PUNKT
    Eine solche Ausein­an­der­set­zung war eigent­lich der Grund für den Start von Pegida. Gegen die “wirk­li­chen” Flücht­linge hat auch keiner was.
    Gerade eben habe ich im Fern­se­hen Nach­rich­ten geschaut(Ich glaube Phoe­nix), wo man sagte, 57% aller Deut­schen hätten Ängste oder Ressen­ti­ments in pcto. Islam.
    Mein lieber Schwan, daß es so viele Rechts­extre­mis­ten hier­zu­lande gibt, hätte ich nicht gedacht! Noch weni­ger, daß man mich mit dazu­zählt, obwohl ich nichts gegen den Islam habe, sondern eher gegen Isla­mis­ten.
    Ich bin halt nur für die “guten Sitten”.

    Und diese bestimmt niemand ande­res als das Gast­ge­ber­land — noch mal PUNKT

  5. @ Bernd
    Du tust ja so, als gäbe es täglich Stra­ßen­kämpfe zwischen Flücht­lin­gen in Deutsch­land. Wo denn bitte? In Dres­den? Davon habe ich bisher noch nichts gehört. Das hört sich eher nach Verfol­gungs­wahn an.
    Dass 57 Prozent “aller” Deut­schen Ängste oder Ressen­ti­ments gegen­über dem Islam haben, spricht sicher nicht für unser Land. Sicher sind das nicht alles Rechts­extre­mis­ten — und habe es auch nicht behaup­tet. Aber wer meint, das hätte mit Rassis­mus nichts zu tun, ist entwe­der naiv oder verharm­los ihn bewusst.
    Deine Unter­schei­dung zwischen Islam und Isla­mis­mus (was auch immer der sein soll) halte ich für spitz­fin­dig. Ich kriege im Taxi oft genug mit, wie Leute “ja nichts gegen Ausländer/Moslems/Juden haben, aaaber…”, und dann geht doch die allge­meine Hetze los. In Deutsch­land gibt es kein Islam­pro­blem, sondern eines mit dem Rassis­mus! Und die Diskus­sion um die Pediga zeigt nur, das viele Menschen in unse­rem Land noch immer nicht begrif­fen haben, dass Rassis­mus Dreck ist.

  6. Aro, also bitte!! Niemand hat von täglich gespro­chen! Ist das denn aber nicht egal, ob einmal am Tag, im Monat oder pro Jahr? Das gibt´s nicht und fertig!
    Die Jacke “Rassis­mus” zieht mir übri­gens KEINER an! Dieses Wort verkommt leider in letz­ter Zeit zur Sprech­blase für Momente, in denen die Argu­mente fehlen. Es fehlte noch, daß mir unter­stellt wird, ich möchte gern flüch­tende Fami­lien in ihre kriegs­ge­beu­tel­ten Heimat­län­der zurück­schi­cken!
    Kennt übri­gens jeder den Unter­schied zwischen Kriegs­flücht­lin­gen und Asyl­su­chen­den? — Nein?
    Erstere schmei­ßen nicht vor Ankunft in der EU ihren Paß weg. ;-)

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