
Und na ja, sonnabends, sonntags sind wir, wie wir so sagten, auf Fahrt gegangen, und da haben wir natürlich auch manchmal Wilde Cliquen getroffen unterwegs. Aber ich kann mich nicht erinnern, das wir irgendwie große Sachen mit denen hatten. Meist haben die uns bloß veräppeln wollen oder so und haben gerufen: “Latsch, latsch, die Heide brennt” und all so was. Und direkt in Moabit kann ich mich erinnern, Emdener Straße vorn, irgendwo Nr. 5, Nr. 6, da waren ein paar, die in so einer wilden Clique waren, Jungens. Die haben uns auch mal so ein bisschen angepöbelt oder so. Aber sonst war es eigentlich nie besonders. Das ist heute genau so, als wenn Sie sich diese Punks oder so ansehen, ähnlich rausstaffiert hatten die sich ja auch. Die haben sich nicht die Haare gefärbt und so weiter, dazu hatten sie ja auch kein Geld, aber sie haben sich doch auch immer rausstaffiert und sind immer fast mit Bier und, und weiß nicht was, was ja bei uns ganz groß verpönt war, rumgezogen, mit Flaschen oder Fässchen oder sonst irgendwas, was wir ja nie gemacht haben. Bei uns gab’s ja so was unterwegs überhaupt nicht. Wenn sie zu Hause irgendwie Bier getrunken haben, na ja, schön, da hat es niemand gesehen. Aber sonst gab es das ja nicht. Auch wenn man in Jugendherbergen und so weiter kam, gab es das ja alles nicht. Da durfte nicht geraucht werden, und da durfte nicht getrunken werden.
Hier um Berlin rum war unser bevorzugtes Ziel immer Ützdorf. Das liegt zwischen Liepnitzsee und Bogensee nördlich von Bernau. Da war so ne ganz alte Jugendherberge, die ist irgendwann mal ein Bauernhaus gewesen. Da zog’s uns immer hin. Erstensmal konnte man da gut baden gehen, waren überall Badegelegenheiten. Und da war Muttchen in der Jugendherberge, und alle liebten Muttchen. Zum Schlafen war da unten nur ein Zimmer mit sechs Betten und denn war oben nur der Boden, und da lagen eben Strohsäcke, da konnte man nur auf Strohsäcken schlafen. Aber wir sind da oft rausgefahren. Es gab ja auch neuere, zum Beispiel in Zossen war ne neuere, hier bei Tiefensee und in Brieselang. Brieselang liegt Richtung Kremmen, Nauen, Falkensee. Also westlich von Berlin. Zossen lag südlich, Ützdorf lag nördlich und Tiefensee lag östlich.
Wenn wir jetzt so Wilde Cliquen getroffen haben, da haben wir uns meist seitlich in die Büsche geschlagen, wenn wir die gesehen haben. Erstensmal — bei uns war das Niveau ja doch auch irgendwie ein bisschen höher. Bei uns war auch kaum einer, der nicht einen erlernten Beruf hatte. Und das macht doch sehr viel aus. Also bei uns gab es Schlosser und Maurer und Zimmerer und Elektriker, Buchdrucker, Schriftsetzer. Die Mädchen, ein paar waren Schneiderinnen, aber die meisten waren alle im Büro. Einige gingen auch zum Lyzeum, andere hatten eben die Handelsschule besucht, und dann hatten wir ein paar Schüler auch, Jungen, die das Abitur gemacht haben. Ja, das war doch anders. Bei den Wilden Cliquen, das waren fast alles so ungelernte Leute, die sich da so trafen. Also doch ein bisschen mieser als wir.
Einmal ist ein Mädchen zu uns gekommen, die auch eine Zeitlang bei uns war, die in solch einer Wilden Clique da mitlief oder was. Sie hat sich nie so richtig ausgelassen, was sie denn eigentlich da weggetrieben hat, aber wahrscheinlich hat es ihr eben doch nicht zugesagt, das war ihr wohl doch nicht ganz das richtige.
Hildegard Schönrock: Wir kamen gerade so hin
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